Glaurung wird mir jetzt wieder unterstellen, ich würde nur jammern aber ich schreib's trotzdem auf: das Desaster vom letzten Sonntag.
Ursprünglich hatte ich geplant, nach Lubmin zu fahren und dort beim Duathlon zu starten, einer der mittlerweile leider sehr raren Mitteldistanzen in dem Bereich. 10-60-10 und die Chance auf ordentlich Wind an der Ostsee wären ein guter Test gewesen. Aus Zeit und Streßgründen cancelte ich das Rennen aber (was - wie ich jetzt weiß - eine sehr richtige Entscheidung war) und entschied mich dafür, doch nochmal ein langes Koppeltraining zu versuchen. Hürde dabei: 6 Tage komplett ohne Training, da bin ich normalerweise immer ziemlich matschig.
Geplanter Start: nicht später als 10:00, damit es nicht ganz so voll auf der Havelchaussee wird. Realer Start: 13:30.
Als ich das Rad aus dem Haus schiebe, fällt mir eine Beule im vorderen Mantel auf - kurze Inspektion, der sitzt nicht richtig. Also wieder rein, alles gerichtet (die alten 21er Decken von Conti sind dermaßen eng, dass der Schlauch gerne mal seitlich rausdrück), aufgepumpt und nächster Anlauf. Garmin an und - nix. Er sieht zwar die Satelliten, bekommt aber kein Signal hin, kann also nicht messen. Stück vor gefahren, ausgemacht, angemacht, dann tut er es endlich. Multisport eingestellt und einrollen. Kleines Blatt, 10 Km locker kurbeln, fühlt sich zumindest nicht vollkommen falsch an.
Kurz vor Ende es Einrollens fällt mir auf, dass Multisport ja die falsche Einstellung ist, denn da nimmt der Garmin dann mit jeder Zwischenzeit an, man sei in der Wechselzone. Dann halt doch einzeln stoppen, denke ich mir und schalte um. Beim Weiterfahren zeigt er dann auf einmal keine Distanz mehr an. Anhalten, schauen, ausmachen, anmachen, geht alles nicht. Irgendwann stelle ich fest: er hat als letzte Trainingseinheit auf einmal einen Lauf vom 31.1.1989, alle Wert sind auf Null. Löschen dieser Einheit geht nicht. Uhr zurücksetzen will ich nicht, denn dann sind auch die letzten Einheiten und der Duathlon weg. Ich liebe diesen überteuerten Schrotthaufen.
Da ich in etwa weiß, wie weiß ich fahren muss, fahre ich halt nur mit Uhr, Distanz muss dann halt offen bleiben, ebenso das Tempo. Erster Intervall, 40 min Havelchaussee Renntempo (bezogen auf einen Kurs wie in Roth). Nach knapp 2 Km hänge ich hinter der ersten Autoschlange, Überholen unmöglich, vorne fährt einer mit 30 Km (so wie erlaubt) spazieren, dahinter hängen 8 Autos. Erst nach rund 3,5 Km am Anstieg zum Grunewaldturm werde ich langsamer und die Kolonne entfernt sich nach vorne. Die Beine wollen natürlich erstmal nicht aber das war mir ja vorher klar. Auf dem Rest der Runde hänge ich dann noch zweimal hinter Autos fest und habe am Ende rund 22,5 Km, also Schnitt 33,8 und bin einigermaßen angefressen.
Fünf Minuten ausrollen und auf in die zweite Runde. Diesmal hänge ich erst in der Abfahrt vom Grunewaldturm fest, dann später nochmal und so langsam macht sich eine äußerst aggressive Grundstimmung breit. Sollte eine Partei mir glaubhaft machen können, nach ihrer Wahl das Benutzen von motorisierten Fahrzeugen (egal ob zwei oder vier Räder) zu Freizeitzwecken so teuer zu machen, dass es sich kaum noch jemand leisten kann oder will, haben sie meine Stimme auf Ewigkeit...
Was da an sonnigen Tagen auf der Havelchaussee einfach nur spazieren rollt ist wirklich krank. Es wurde ja mal angedacht, die Straße für den Durchgangsverkehr zu sperren. Warum nicht? Versenkbare Poller vorne und hinten für die BVG und fertig... Diesmal komme ich trotz der Hindernisse weiter und habe am Ende 23,5 Km (35,3 Km/h), wird ja.
Wieder 5 min Pause. Dann beschließe ich, es nach dem dritten Intervall gut sein zu lassen, die Beine meckern eh an den Hügeln ziemlich (es will sich einfach keine rechte Kraft einstellen) und ich weiß jetzt, dass ich in etwa das Tempo fahren kann. Somit geht der letzte Intervall dann mit verkürzter Wendestrecke schon Richtung Heimat, damit das Ausrollen nicht so lang ist. Etwas mehr als 24 Km, also über 36er Schnitt - paßt.
Zu Hause angekommen, gibt es aber Stirnrunzeln: als ich absteige, tut mir alles weh. Der untere Rückenbereich ist fest, die Schulter sind fest, die linke Wade vor allem ist steinhart, ich eiere richtiggehend die Treppe hoch. Fühlt sich gar nicht gut an. Schnell umgezogen, Flaschengürtel um und raus. Es läuft sich erstaunlich gut, dafür wie es sich nach dem Absteigen anfühlte. Der Pulser will immer noch nicht, aber ich kenne den Wendepunkt, Zwischenzeiten sind nicht wichtig, also wieder nur auf die Gesamtzeit schauen.
Der erste Kilometer läuft in 4:20 min durch, danach schalte ich die Uhr auf Pulsanzeige und will von Zeiten nix mehr wissen. Die Beine fühlen sich gut an, das Tempo nicht besonders schnell. Schonmal positiv. Der Trinkgürtel (Nathan Speed 2) ist um Längen besser als die Gürtel, die ich bisher hatte. In die kleine Tasche hatte ich noch zwei Powergels gepackt, um das "Wettkampfgewicht" besser zu simulieren, merkt man gar nicht. Die Flaschen gehen gut raus und rein, nur wenn nicht mehr viel Flüssigkeit drin ist, zieht man einiges an Luft und muss aufpassen, diese nicht mit zu schlucken.
Nach ca. 2 Km läuft alles rund, ich trabe die Krone entlang in Richtung Wendepunkt und die schlechte Laune vom Radfahren verflüchtigt sich etwas. Lediglich der linke Fuß ist wieder etwas eingeschlafen, also lockere ich das Gummiband im Schuh etwas. Das Tempo ist natürlich zu hoch im Vergleich zum eigentlichen Wettkampf, denn auch wenn eine Zeit von 3:03 - 3:05 Std. schön wäre - das laufe ich nie und nimmer. Langsamer zu laufen würde heute aber auch keine Aussage geben. Bis zum Wendepunkt läuft alles prima, das Antreten nach dem Wenden geht aber doch etwas in die Beine.
Auf dem Rückweg begleitet mich noch ein langjähriger Läuferfreund für 1,5 Km. Als ehemaliger Leistungsskater (deutscher Vizemeister Marathon) kennt er hohe Trainingsumfänge, so eine Einheit quittiert er aber auch nur mit einem Kopfschütteln. Nach wie vor renne ich konstant mein Tempo und es keimt so etwas wie Hoffnung auf, dass die Form doch nicht so schlecht ist, wie ich das immer vermute. Bis Km 15... Fast schlagartig wird es schwer. Und da ist sie auch gleich wieder, die Skepsis. Wenn ich hier schon nach 15 Km einbreche und das nach lediglich 70 Km Tempo auf dem Rad, wie soll das auf Lanzarote werden???
Mit jedem Meter wird es jetzt schwerer, ab Km 17 breche ich komplett ein und schleppe mich nur noch nach Hause. Vor der Haustür angekommen zeigt die Uhr 1:28:12 Std.. Das wäre ein Schnitt von 4:24 min/km. Klingt zwar flott, bedenkt man aber, dass ich auf den letzten 5 km vermutlich rund 4 min verloren habe, sieht es schon anders aus. Und ich bin so richtig alle. Da ich den falschen Hausschlüssel mitgenommen hatte, müsste ich noch einmal um den Häuserblock laufen, beschließe aber, lieber zu gehen. Und selbst das ist zuviel. Im Zeitlupentempo wandere ich los. Nach dem halben Weg kommt Maja vorbei und wir gehen wieder zurück. Ich bin kurz davor, mich stützen zu lassen, taumele mehrfach.
Zu Hause falle ich auf einen Stuhl und versuche, was zu trinken. Den eigentlich dringend notwendigen Eiweiß-Shake rühre ich gar nicht erst an, da ich ihn sicher nicht runterbekommen würde. Etwas später brauche ich rund 30 min für einen normalen Teller Gulasch, weil selbst sitzen und essen zu anstrengend ist. Beim Fahrradschrauben abends muss ich mich mehrfach setzen, weil ich nicht mehr kann. Da stimmt doch was nicht...
Ein Teil des Rätsels Lösung bekomme ich nachts, als ich nämlich zähneklappernd im Bett liege während ich dermaßen glühe, dass ich nichtmal die Decke ertrage. Die Erfahrung sagt mir, das ist deutlich über 39°C, zum Messen will ich aber nicht aufstehen.
Morgens dann noch 38,5 °C, eine Stunde später Normaltemperatur und ich gehe zur Arbeit. Noch spürbar geschwächt aber das ändert sich im Laufe des Tages und abends fühle ich mich wieder einigermaßen fit. Lediglich ein Lymphknoten in der Leiste ist etwas angeschwollen. Die Beine jedoch zeigen keine Nachwirkungen des Trainings.
Fazit: es bleibt dabei. Kein vernünftiges Koppeltraining vor Lanza, ich kann lediglich eine grobe Schätzung über meine Form annehmen. Vermutlich sollte ich aber froh sein, dass das, was da augenscheinlich versteckt im Körper brütete jetzt rausgekommen ist und nicht im Wettkampf. Denn dann wäre ich definitiv nicht ins Ziel gekommen. Und es war gut, dass ich nicht nach Lubmin gefahren bin, denn das wäre mit Sicherheit richtig in die Hose gegangen. Und dann in dem Zustand noch eine längere Autofahrt nach Hause - nee, das muss nicht sein...