keko hat geschrieben:
Klugschnacker hat geschrieben:
Es geht hier nicht darum, ethische Werte gegen eine Mehrheit in Schutz zu nehmen. Sondern sie sich vom Hals zu schaffen.
Du sprichst bei diesem Thema viel von Werten. Vor einiger Zeit gab es hier im Forum eine Diskussion (an den Kontext erinnere ich mich nicht mehr), wo du jegliches Tun auf den Egoismus zurückgeführt hast. Egoismus ist letztendlich Triebfeder für alles. Wenn ich einem alten Herrn über die Straße helfe, dann deswegen, weil ich mich danach besser fühle. Wenn ich nett zu einer Frau bin, dann damit ich evtl. meine Gene reproduzieren kann. Ich habe das damals angezweifelt, aber du warst da sehr rational. Wo liegt als hier bei der Aufnahme von Flüchtlingen dein Egoismus? Laut deiner Überzeugung müsste auch hier letztendlich dein persönlicher Egoismus die Triebfeder sein.
Ich sagte das auf einer allgemeineren Ebene, die jedoch eine unmittelbare Relevanz für das persönliche Handeln hat. Um die persönliche Ebene zu verstehen, nach der Du mich fragst, muss man jedoch zuerst die allgemeinere Ebene verstehen. Das ist nicht auf meinem Mist gewachsen, sondern entspringt der Erforschung dessen, wie sich in der Natur und in der Kultur Gleichgewichte einpendeln. Zum Beispiel die Balance zwischen Altruismus und Egoismus in unserer Gesellschaft, in jeder anderen Gesellschaft, und im Verhalten von Tieren.
Richtig ist jedenfalls Deine Feststellung, dass ich dort, wo ich altruistisch handle, dies aus egoistischen Motiven tue. Mal sind sie mir bewusst, mal nicht.
Eine Population aus lauter Altruisten ist nicht stabil. Sie kann sehr leicht von Egoisten unterwandert werden. Ein Egoist, der in eine Gesellschaft voller Altruisten einwandert, hätte einen unglaublichen Erfolg.
Andersherum wäre eine Gesellschaft aus lauter Egoisten nicht stabil. Sie kann sehr leicht von Altruisten unterwandert werden. Ein Altruist, der in eine Gesellschaft voller Egoisten einwandert, hätte ebenfalls einen sehr großen Erfolg. Auch wenn letzteres etwas schwerer zu begreifen ist (Erklärung weiter unten).
Da beide Gesellschaften aus reinen Egoisten oder reinen Altruisten nicht stabil sein können, erwartet man folgerichtig, dass stabile Gesellschaften sowohl Altruisten als auch Egoisten enthalten müssen. Und zwar ein einem bestimmten, festen Zahlenverhältnis, das sich zwangsläufig einstellt.
Gut nachvollziehen kann man das am klassischen Beispiel von Taube und Falke. Beide sind als Modelle für "Altruist" oder "Egoist" zu verstehen. Es handelt sich also nicht um echte Tiere. Man denkt sie sich besser als Spielfiguren in einem Spiel des Lebens. Beide treten gegeneinander an und kämpfen gegeneinander. Es gibt Sieg, Niederlage, Unentschieden und Verletzungen. Für jedes dieser Ergebnisse gibt es Punkte.
Sieg: 50 Punkte.
Niederlage: 0 Punkte
Ernste Verletzung: -100 Punkte
Unentschieden -10 Punkte für Zeitverschwendung.
Die Falken greifen immer an (Egoisten), während die Tauben stets zurückweichen. Trifft ein Falke auf eine Taube, gewinnt er jeden dieser Kämpfe. Interessant ist jedoch diese Frage:
Machen die Tauben insgesamt oder die Falken insgesamt mehr Punkte? Das ist gleichbedeutend mit der Frage, ob Altruisten oder Egoisten erfolgreicher sind im Leben.
Denken wir uns zunächst eine Population ausschließlich aus Tauben. Die Tauben werden nie handgreiflich, also bestehen die Kämpfe in langen Turnieren im Anstarren bis einer aufgibt. Der Sieger bekommt 50 Punkte für den Sieg und -10 Punkte für Zeitverschwendung, das macht zusammen 40 Punkte. Der Verlierer hat -10 Punkte.
Gemeinsam haben sie also 30 Punkte.
Wandert ein Falke in diese Gesellschaft ein, gewinnt er jeden Kampf. Seine durchschnittliche Prämie beträgt 50 Punkte. Entsprechend werden sich Falken in dieser Taubengesellschaft sehr schnell ausbreiten (vermehren). Jetzt trifft ein Falke bei seinen Kämpfen jedoch zunehmend auf andere Falken, statt auf eine Taube. Kämpfen zwei Falken miteinander, wird es ernst: Der Sieger hat 50 Punkte, der verletzte Verlierer -100.
Gemeinsam haben sie also -25 Punkte.
Denken wir uns jetzt eine reine Falkenpopulation, in die eine Taube einwandert. Wie verliert zwar jeden Kampf durch Flucht, wird aber nie ernsthaft verletzt.
Ihre durchschnittliche Prämie ist 0, und damit deutlich höher als die der Falken aus dem vorstehendem Absatz. Also werden sich Tauben zwangsläufig ein einer Falkenpopulation ausbreiten.
Sowohl Falke wie auch Taube agieren aus rein egoistischen Motiven. Sie wollen so viele Punkte wie möglich machen und wählen eine Strategie, die ihnen dafür geeignet scheint. Der Egoismus (Punkte machen) führt jedoch zu altruistischen Verhaltensweisen. Für das oben genannte Punkteschema ist eine Verteilung von 5/12 Tauben und 7/12 Falken stabil und wird sich früher oder später von selbst einstellen, ohne das die Falken oder Tauben irgend etwas von Moral verstünden. Komplexe Fähigkeiten wie Rücksichtnahme und Friedfertigkeit bilden sich zwangsläufig und ganz von selbst heraus, und finden eine Balance mit dem Egoismus und der Aggression.
Die Triebfeder von alldem ist jedoch der Egoismus. Wie das gemeint ist, ist hoffentlich jetzt klar geworden.
Grüße,
Arne