"Och mann, das Schloß ist eingerüstet!"
Der erste Eindruck vom Moritzburger Triathlon war schon etwas enttäuschend. Aber ich war ja nicht zum Sightseeing hier, sondern wollte ja ein bischen Sport machen.
Doch wie ist das eigentlich, wenn man nur den Massenauftrieb Roth kennt und nun mit 78 anderen Teilnehmern eine Langdistanz bewältigen soll? Einen ersten Eindruck gab es bereits beim Eichecken der Räder am Freitag Abend. In der großzügigen Wechselzone für wahrscheinlich 500 Wettkämpfer standen die Handvoll Räder der Langdistanz recht einsam und verloren in einer kleinen Ecke. Mir hat sich zwar nicht ganz erschlossen, warum die Räder nicht nach Startnummern geordnet standen, sondern nach der Reihenfolge des Eincheckens, es sollte sich aber zeigen, das dieses Detail später im Wettkampf keinen Nachteil bedeutete.
Nach einer überschaubaren Nudelparty und einer ebenso überschaubaren Wettkapmpfbesprechung ("...dann macht ihr löös, raus aus der Zone...")
ging es dann erst mal auf den Campingplatz ("Morgen früh können Sie Bröchen kaufen" - "_Das_ glaube ich jetzt nicht!"), wo wir um vier nach neun erfahren durften, daß die Campingplatz-Kneipe um neun Küchenschluß macht (danke nochmal für die gezeigte Flexibilität), nochmal in's Dorf für 'nen Bissen zum Abendessen und schließlich wieder zurück auf den Campingplatz. Um elf ging es dann endlich ab in die Falle.
Camping in Moritzburg hat den Vorteil, daß es reicht, wenn der Wecker um 5 Uhr morgens klingelt. Aus dem Fenster gelugt, lebt da draußen schon wer?, aber trotzdem aufgestanden. Nach 'nem Kaffee, zwei Brötchen (vom Vortag) und kurzer Fahrt war ich das erste mal so richtig rechtzeitig und entspannt bei einem Langdistanz-Start gestanden.
Der Neopren paßt noch, der Schlamm von vor zwei Jahren ist immer noch da und die Karpfen sollen heute nicht besonders bissig sein. Prima Aussichten für die bevorstehenden 3,8km Schwimmen. Nur das mit den 22°C Wassertemperatur, das glaube ich den Organisatoren dann doch nicht so ganz. Hatte ich in den Tagen vor dem Wettkampf noch Bedenken wegen drohendem Neo-Verbot, blieben davon jetzt nur noch kalte Füße übrig. Der Regen der vergangenen Nacht hat die Temperatur im Teich wohl doch noch merklich abkühlen lassen. Obwohl wir mit der Handvoll Staffel-Schwimmer gemeinsam gestartet sind, hatte ich keine Probleme mit irgendwelchen Rangeleien im Wasser. Ich hatte es ja auch nicht eilig und war entspannt genug, aus der dritten oder vierten Reihe zu starten. Das schöne an der Schwimmstrecke ist, daß ich als vorzugsweise Rechtsatmer sehr oft direkten Blick auf das SChloß Moritzburg hatte. Und auch die insgesamt 5 mal durch die Brücke sorgten für Kurzweil auf der Strecke, so daß die gefühlten 7 Zuschauer - die meisten davon von der Wasserwacht - kein Problem darstellten. Nur beim Ausstieg war die Verwirrung komplett: Die angekündigte Boje für die Linkskurve fehlte und die Wassertiefe war deutlich geringer als angenommen. Schwimmen war fast nicht mehr möglich, die letzten 50m zum Ufer bin ich dann noch gewatet. Die Schwimmzeit von 1:09 bewegt sich so im Rahmen der bisherigen LD-Wettkämpfe, also bis dahin kein Grund zur Panik.
Der Weg durch die Wechselzone ist für die Anzahl der Starter unverhältnis lang, dafür kann man seinen Körper in der Zwischenzeit wieder an die senkrechte Lage gewöhnen. Das Rad ist schnell gefunden (einfach: das schwarze mit dem Aerolenker), nur beim Wechsel macht sich die fehlende Routine doch etwas bemerkbar. Zum Glück ist ja heute Langdistanz und es kommt bei mir in der Regel nicht auf Sekunden an.
In Roth habe ich es mir zur Gewohnheit gemacht, am Ende der Wechselzone nicht direkt an der weißen Linie aufzusteigen, sondern noch zwei bis drei Meter weiter und vor allem auf die Seite zu gehen, um den nachfolgenden Athleten nicht im Weg zu stehen wenn ich auf's Rad steige. In Moritzburg bin ich noch nicht mal ganz über den Randstein, da schreit mich die Kampfrichtern schon an: "HALT!" Wo ich denn noch hinwolle? Klar, hier stehe ich ja niemandem im Weg, der nächste Athlet kommt vielleicht erst in einer halben Minute....
Auf dem Rad ist es kalt, der linke Oberschenkel verweigert seinen Dienst. Am Morgen hatte es 7°C, jetzt scheint es noch nicht allzuviel wärmer geworden zu sein. Außerdem geht es bergauf - im Höhenprofil war es irgendwie genau umgekehrt. Kann ja lustig werden: sechs Runden zu fahren und ich bin noch nicht mal auf der ersten. Nächste Station: Bärwalde! Das Katzenkopfpflaster gibt's wirklich noch. Ganz schön lang und ganz schön holprig, aber Radflaschen und Mageninhalt bleiben dort, wo sie hingehören. Nun geht es endlich in die erste Runde. Bis auf den Oberschenkel läuft es prächtig, es ist fast windstill und ich komme deshalb auch recht zügig voran. Aber ich fühle mich eher wie im Training als im Wettkampf. Vor mir weit und breit kein Konkurrent zu sehen, Ordner gibt es nur an ca. jeder dritten Abzweigung und Zuschauer gibt es ungefähr sieben weniger als auf der Schwimmstrecke. Nur gut, daß ich die Strecke schon vorher mal probegefahren bin. Die kleinen verwitterten weißen Pfeile, die in Nauleis auf die Straße gemalt sind, kann man im Wettkampfstreß schon mal übersehen, und dem Vordermann hinterherfahren geht eben wegen fehlendem Vordermann recht schlecht. Vorteil: Man muß sich nicht auf die Einhaltung der Drafting-Regeln konzentrieren. Und man kann sich entspannt und genußvoll dem Radeln widmen. Die zwei Verpflegungsstellen pro Runde sind optimal mit allem (und noch mehr) bestückt, was ich auf der Radstrecke benötige. Bis auf eine üble Holperstrecke in Reinersdorf ist die Strecke echt flüssig zu fahren, so daß ich die ersten drei
Runden in jeweils ca. 50 Minuten bewältige. Leider kommt dann ein teilweise kräftiger wind auf, der gerade auf dem ersten Teil der Runde von vorne kommt und vor allem die Psyche, dann aber auch irgendwann die Physis zerbröseln läßt. Ab der fünften Runde ist aber dann endgültig Schluß mit allen Hoch- und Glücksgefühlen - die Halbdistanzler strömen auf die Strecke. und alle ziehen mit einem Affenzahn an einem vorbei. Waren die LD-Athleten noch recht konservativ ausgerüstet, gibt es jetzt jede Menge Aerohelme, Scheibenräder etc. Aber die letzten beiden Runden vergehen auch noch irgendwie. Die letzte dauert zwar schon 53 Minuten (der kurzzeitig aufkommende Traum von einer 5:20 ist damit ausgeträumt) aber ich muß ja nur noch heimrollen. Kurz vor dem Katzenkopfpflaster in Bärwalde drücke ich nochmal die Werkzeugflasche in den Halter und rumple dann mit voller Geschwindigkeit über das Pflaster - schätzungsweise 30 Meter, dann kullerte die Flasche über die Straße. Das Werkzeug hätte ich aber gerne wieder, aso umdrehen, Flasche einsammeln und weiterfahren - wieder eine Minute weg. Am Ende sind es dann 5:30, und - soweit ich mich erinnern kann - persönliche Bestzeit.
Nochmal den langen Weg durch die Wechselzone, dabei das Rad über mindestens drei Bordsteine lupfen. Zum Glück habe ich mich noch kurz vor der T2 entscheiden, die Schuhe eingeklickt zu lassen, so daß es mich barfuß jetzt wenigstens nicht auf die Waffel haut. Ich werde alt und gesetzt, deswegen habe ich auch kein Lust mehr auf aufgescheuerte Haut und wechsle deswegen die Rad- gegen eine Laufhose. Nackich machen mitten auf dem Moritzburger Marktplatz. Nachdem ich ja im emu-Forum gelernt habe, daß Pflaster auf den Brustwarzen unsexy sind, konzentriere ich mich voll auf das Vergessen derselben und laufe mal los.
Endlich kommt wieder echtes Langdistanz-Feeling auf. Mein Verdauungstrakt erinnert sich an seine Aufgabe beim Ironman und fängt an zu krampfen, stechen, blähen etc. Gleiches Problem wie immer - wahrscheinlich die Rad-Verpflegung. Ich kämpfe mich zur ersten Versorgungsstelle durch. Da es lediglich Bananen, Riegel und Gel gibt, habe ich dort meine heißgeliebten TUC deponiert. Natürlich mit Startnummer, damit die niemand anders wegfuttert. Dazu 'ne Cola, das sollte ich eigentlich gut vertragen, und bekanntes Essen ist auch für die Psyche gut zum festhalten. Zum Essen und Trinken spendiere ich eine Gehpause von 100-200m nach der Verpflegung, dann wird durchgelaufen bis zum Ansatz des steilen Hügels. Dort gönne ich mir in der Steigung ebenfalls die 50m Gehpause, weil ich den Zeitverlust im Vergleich zur eingesparten Energie als recht gering einschätze. Oben geht es dann wieder bis zur nächsten Versorgungsstation weiter, Gehpause zum Trinken (Hier habe ich keine TUC leigen) und dann die Runde zu Ende laufen. Genau dieses Regime versuche ich bis zum Ende zu wiederholen, was mir auch im Großen und Ganzen gelingt. Zwei bis drei Mal kommt zwar noch eine längere oder weitere Gehpause dazu, aber die ersten drei Runden in ca. 30 Minuten, dann nochmal drei in ca. 35 Minuten, einmal 38' und Endsspurt mit 32' sind ja für Ironman-Verhältnisse eine fast gleichmäßige Leistung und sorgten am Ende für 4:25. Auch hier denke ich, das war eine PB (zumindest innerhalb eines IM), aber auf jeden Fall EMU5.
Gesamt stehen 11:14:17 in der Liste, also eine Stunde schneller als vor zwei Jahren in Roth, und über 20 Minuten schneller als meine pers. Bestzeit.
Das Finisher-Buffet ist etwas spärlich ausgefallen, aber wahrscheinlich haben die Halbdistanzler schon alles weggefuttert - für mich blieb z.B. das vorletzte Stück Kuchen. Dafür gab's dann in der Dusche kein Gedränge und schön heißes Wasser.
Am Sonntag haben wir dann auf dem Nachhauseweg noch eine kleine Wanderung auf den Staffelberg (bei Lichtenfels) gemacht und uns dann ohne Umwege in die Obermaintherme nach Staffelstein begeben. Ein klasse Ende eines klasse Wettkapfwochenendes.
Sollte ich doch noch mal eine Langdistanz machen - Moritzburg ist noch nicht vom Tisch.