Element of Crime - Mittelpunkt der Welt
Review aus laut.de:
Vier Jahre hat es gedauert. Vier lange Jahre ließen Element Of Crime uns warten, nun gibt es - nach dem großartigen "Romantik" - endlich neues Material von der Berliner Institution. Ob es dem mit "Romantik" gesetzten Standard gerecht werden kann? Aber sicher, und das vor allem, weil Element Of Crime auf Bewährtes setzen. Gefühlsechte Musik von elder statesmen für lange Abende in kalten Nächten, für's Alleinsein und die Zweisamkeit. Der Drang zur ständigen Veränderung kann auch schädlich sein, die Band um Sven Regener verspürt ihn zum Glück nicht.
Hat man sie nach Songs wie "Alle Vier Minuten" untrennbar mit Berlin, mehr noch, mit Kreuzberg verknüpft, erstaunen sie den Hörer erst mal mit einem Lied über "Delmenhorst". Heimatstadt von Sarah Connor und tacis, ein ziemlich trostloser Ort an der Autobahn zwischen Oldenburg und Bremen. "Da ist jemand, der freiwillig in ein Exil geht, weil er an einen Ort gehen will, wo ihn nichts an jemand anderen erinnert", erklärt Sven. Klar könne man das mit jeder anderen Stadt auch machen, aber "Delmenhorst ist halt eine Stadt, die man nicht so auf der Rechnung hat. Aber die meisten Deutschen wohnen wahrscheinlich in genau so einer Stadt." Ein höchst gelungener Einstieg in die melancholisch-freudige Matinee-Vorstellung namens "Mittelpunkt Der Welt".
Insgesamt entsteht schnell der Eindruck, dass diese Platte im Gegensatz zur hochpolierten "Romantik" ein ganzes Stück rauer klingt. Der Sound ist klarer, wohl auch, weil die Band auf ein Quartett zurück schrumpfte. Eine Gitarre wurde eingespart, Drums und Trompete rücken dagegen ein wenig in den Vordergrund. Und, hach, diese wundervolle Stimmung, die sie immer wieder zaubern. So scheint "Wenn Der Winter Kommt" auch geradezu programmatisch: an dem Tag, an dem ich das hier schreibe, habe ich das erste Mal dickere Socken an. "Seit ich dich kenne, mag ich's gern, wenn der Winter kommt, dann wird's früher dunkel" - wer den Berliner Winter kennt, weiß, dass das einer Liebeserklärung gleich kommt.
"Wo die Neurosen wuchern, möcht ich Landschaftsgärtner sein", quäkt Sven Regener mit unverkennbarer Stimme, kein Zweifel, in Sachen Wortwitz ist er immer noch ganz weit vorne. Die beiden schnelleren Nummern "Straßenbahn Des Todes" und "Finger Weg Von Meiner Paranoia" entlocken ein belustigtes Schmunzeln, während die langsamen Stücke wie "Im Himmel Ist Kein Platz Mehr Für Uns Zwei" oder "Richtig Schön War's Nur Mit Dir" einen fast verzweifeln lassen. Für Trennungsphasen gibt es, glaube ich, keine bessere Adresse als Element Of Crime.
"Ein Freund hat mich mal gefragt, warum wir immer so Low-Life-Musik machen? Das ist ne ganze Menge Low-Life." Recht hat er, der Sven. Aber genau deswegen werden Element Of Crime so geliebt, weil aus ihrer Musik die Erfahrung spricht, die jeder ein Stück weit fürchtet, weil er weiß, dass er sie irgendwann machen wird. Element Of Crime können uns auf das Schmerzhafte vorbereiten, und zwar auf eine höchst charmante und sanfte Art und Weise. Dennoch sollte das nicht der Grund sein, diese Band zu hören. Sondern die große Musik, die sie machen.
Godik meint dazu: Es hat eine Zeit lang gedauert, mich in die neue Platte reinzuhören. Sven ist nach Jahren mal wieder überraschend melancholisch, ja sogar traurig zu nennen. Anzunehmen, dass seine Liebe, die ihn die letzten, wesentlich optimistischeren, Platten begleitet hat, verlassen hat.
Und das ist gut so. Der Meister ist wieder zurück, so wie wir ihn von "Weisses Papier" und all den anderen Geniestreichen kennen.
Wer jetzt noch keine Konzertkarte für die Tour im März hat, sollte bald zugreifen.
10+ Punkte
_________________ Der größte Lump im ganzen Land, das ist und bleibt der Denunziant.
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