Wenn die Grinsekatze mit dem Muskelkater... Meine erste Mitteldistanz in Erlangen
Vorgeplänkel Die letzten Tage vor meiner Premiere auf einer „echten“ Mitteldistanz mit 2 km Schwimmen, 80 km Radfahren und 20 km Laufen war ich gar nicht aufgeregt. Eher machte sich eine Art „Fatalismus“ breit. Gute Vorbereitung? Na, das ist was anderes. Ich mach‘ die Augen zu und dann sieht mich keiner. Beim Schwimmen war ich zwar fleißig, aber ich kam gefühlt nicht richtig voran, wurde nicht schneller. Am Mittwoch meinte dann aber unser Schwimmtrainer, das wäre genau richtig, in der Saison wird man nicht schneller, sondern durch die vielen Wettkämpfe eher langsamer. Ah, ok. Das Schwimmen werde ich schon überleben, da machte ich mir nicht wirklich Sorgen. Radfahren? Ja, da bin ich dieses Jahr wirklich schneller geworden. Zwar waren es die letzten Wochen ein bisschen wenig km, aber die Kombination von gemütlichen Ausfahrten mit doch relativ viel Wettkämpfen diese Saison waren eine gute Grundlage, fand ich. Was ich in Erlangen erwarten konnte, wusste ich nicht - ich kannte die Strecke nicht und hatte keine Ahnung, welches Tempo ich auf 80 km fahren kann. Ich freute mich jedenfalls aufs Radeln und darauf, meine relativ neu eingestellte Sitzposition im Rennen zu testen. Und dann das Laufen. Ja. Mein Lauftraining bestand in den letzten Wochen darin, 2x/Woche mit Göga laufen zu gehen, also Joggen/Walken im Wechsel, die Liga-Wettkämpfe und 2 Läufe über 16 km hatte ich vor 2 und 3 Wochen noch geschafft. 20 km war ich das letzte Mal im März gelaufen, kurz bevor meine Plantarsehne anfing, Probleme zu machen. Die Liga-Wettkämpfe liefen lauftechnisch nicht schlecht, aber 5 bzw. 10 km gehen irgendwie immer. Vor den 20 hatte ich schon ordentlich Respekt. Das Hibbeln fing dann auf der Fahrt nach Erlangen an. So viele Leute dachten an mich und drücken mir die Daumen - wow. Nahm ich das ganze zu sehr auf die leichte Schulter? Nein, ich würde mein Bestes geben, egal was dabei rauskommt. Wir trafen nachmittags bei unseren Freunden ein, wo wir erst mal mit Kaffee & Kuchen versorgt wurden. Eine weitere Freundin samt Mann nächtigte auch dort, sie startete ebenfalls. Dann ging es zum Startunterlagen abholen, Ortsbesichtigung, Wettkampfbesprechung und ich wurde immer nervöser. Bei mir äußert sich das dann so, dass ich mich am liebsten in einem Loch verkriechen würde und immer ruhiger werde. Abends wurde dann gegrillt und die Speicher mit Kartoffelsalat, Grillgut, alkoholfreiem bzw. leichtem Weißbier und Blaubeerquark aufgefüllt, bevor ich um 23 Uhr müde im Bett lag.
Raceday Um 6 Uhr klingelt der Wecker. Aufstehen. Erst mal eine Geburtstags-SMS an meine Schwester versenden, dann anziehen, Frühstücken. Außer 2 Kaffe, dem Frühstücksdrink und einer halben Scheibe Weißbrot mit Butter bekomme ich nix runter. Dann ist es auch schon soweit, Auto packen und los. Beim Ausladen der Räder fängt es an, kräftig zu regnen. Na super. Der Weg vom Parkplatz zum Check-In ist länger als gedacht, ich werde total nervös, setze mich aufs Rad und fahre los, die anderen kommen ja nach. Rad eingecheckt, Stellplatz gesucht, ach, die Schuhe noch drantüddeln. Es ist eng, nass, ich bin total hibbelig, an Gummiringe anschneiden und sorgfältig festknoten ist nicht zu denken. Also einfach Gummis um die Schlaufe am Schuh, am Rahmen und Flaschenhalter einhängen, wird auch gehen. Ich versuche, auf dem nassen Rahmen 2 Gels und einen durchgeschnittenen Riegel fest zu kleben. Es sieht nach Klebebandmassaker aus. Egal. Hoffentlich hält es. Radbeutel abgeben, Laufbeutel abgeben, Privatbeutel abgeben. Ich muss mal. Da ist eine Schlange vor dem Dixiklo, ich reihe mich ein. Sortiere derweil den Rest. Schmiere mich mit Bodyglide an Waden, Nacken und Unterarmen ein. Chiparmband um. Neo, Badekappe, Schwimmbrille bereithalten. Dann kann ich endlich auf die Pipibox. So, nun sind es nur noch rund 15 min bis zum Start. Wo ist mein Mann? Panik steigt in mir auf. Ich muss noch in den Neo steigen und ihm meinen Rucksack geben. Ich rufe ihn an - er stand die ganze Zeit beim Check-In Eingang. Auf die Idee dort zu schauen, bin ich in meiner Vorwettkampfnervosität nicht gekommen. Ja, er kommt zum Schwimmstart. Ich steige schon mal in den Neo, finde jemanden, der ihn mir zu macht, Brille und Kappe auf, dann treffe ich jemanden, dem ich zur Not meinen Rucksack aufs Auge drücken kann, falls mein Mann es nicht rechtzeitig zum Schwimmstart schafft. Weia, so eine Hektik hatte ich noch nie vorher. Jedenfalls bin ich nun wach und voller Adrenalin. Aber dann kommt mein Mann noch, Rucksack übergeben, Küsschen und dann ab ins Wasser, Start in 5 min.
Swim Einschwimmen? Das mache ich auf den ersten Metern, dann ist‘s nicht so weit. Ein paar Kraulzüge zum Start auf der anderen Kanalseite müssen reichen. Ich sortiere mich hinter runningmaus ein, deren Füße ich halten will - ihre Zielzeit sind 40 min. Das wäre cool. Nochmal Schwimmbrille ablecken und schon fällt der Startschuss. Es ist ein ziemliches Gewühle, aber es geht zivilisiert ab, ein bisschen Schubsen, aber keine richtige Prügel. Ich schwimme mehr Richtung Kanalmitte, doch dann sind runningmaus' Füße weg. Egal. Schwimmen. Das Wasser ist angenehm temperiert, nicht kalt, aber auch nicht zu warm. Ich fühle mich wohl, versuche neue Füße zu finden. Das klappt erst mal nicht, ich habe „frei schwimm“, was ich ja auch ganz gerne habe. Dann denke ich, 2 km sind lang, versuche Energie zu sparen und ich finde neue Füße, hinter die ich mich hänge. Nach der Wendeboje habe ich die verloren, aber ich finde schnell neue. Das Ufer gleitet vorbei, es fühlt sich super schnell an, klasse! Der Ausstieg kommt näher, werde gleich von einem Helfer gepackt und torkele an Land. Das Herausschälen aus dem Neo ist etwas hakelig, der Chip am Handgelenk stört. Aber bis zum Wechselzelt bin ich mit den Armen draußen. Beutel schnappen, rein ins Zelt, raus aus dem Neo. Die Helferin stopft Teile meines Neos derweil schon mit dem Neo des Nachbarn in seine Tüte. Nein, das ist meiner... Oh. Sie ist aber super nett und tierisch flink, stopft dann meinen Neo in die richtige Tüte, nimmt meine Schwimmbrille und Badekappe und ich kann schon los zum Rad laufen. Ich fühle mich wie ein VIP mit solcher Betreuung. Am Rad Startnummer um, Brille, Helm, noch kurz über das Pisswetter maulen und los.
Bike Nach der Linie steige ich in einen Schuh, mache den gleich zu und auf den anderen und los. Die Gummibänder zerreiße ich mit einem beherzten Griff. Geht also auch. Direkt nach der Wechselzone geht es auf eine Brücke hoch. Trotz des Wetters stehen da Leute und feuern uns an. Ich grinse wie ein Honigkuchenpferd. Und mein Mann steht auch da! Toll! Danach rollt es und ich widme mich dem richtigen Sitz meiner Schuhe. Das Pisswetter? Egal, das habe ich ja bei den letzten Wettkämpfen schon geübt. Mein Riegel droht abzurutschen, also befreie ich ihn aus dem Klebebandmassaker und werfe mir schon mal die Hälfte ein, die andere Hälfte verfrachte ich in meine Rückentasche. Kauen und Atmen gleichzeitig ist nicht so einfach. Rauf auf den Auflieger und Tempo finden. Ohne Tacho ist das ganz einfach. So schnell wie die Beine mögen. Mein Nacken hadert noch ein bisschen mit der Aeroposition, aber dank einiger Ortsdurchfahrten, Kurven und klitzekleiner Anstiege greife ich öfters an den Hörnchen und der Nacken beruhigt sich. Eigentlich wird es im Laufe des Radelns immer besser und die Aeroposition fühlt sich immer angenehmer an. Ich überhole einen Radler mit Scheibe. Tschakka. Eigentlich grinse ich nur die ganze Zeit, es macht mir richtig Spaß. Und schon ist die erste Runde um. Noch ein Radler mit Scheibe und Windjacke... Super, Scheibenrad aber dann einen Bremsfallschirm anziehen... Den überhole ich auch. Vor der Verpflegung futtere ich ein Gel, greife eine Flasche Wasser zum Nachspülen und da überholt mich die Windjacken-Scheibe wieder. Mpfff. Erst mal in Ruhe das Essen fertig fassen. Genug getrunken, Flasche wieder weg und weiter. Auf der nächsten Abfahrt habe ich die Scheiben-Windjacke wieder. Aber er bleibt an mir dran. Generell wurde fair gefahren, nur einmal überholte mich ein Grüppchen, das hart an der Grenze des legalen war und dann kam eine Gruppe von ca. 9 Radlern, die bewusst Windschatten gefahren sind. Aber sowas von Windschatten. Da keiner annähernd versucht, legal zu fahren. Armselig. Die Windjacken-Scheibe hängt immer noch hinter mir, aber in legalem Abstand, wie ich beim Naseputzen feststelle. Dann stehen Kinder am Streckenrand, die abgeklatscht werden wollen. Hmmm... Ich lege mich auf den Auflieger, strecke die rechte Hand aus, yup! Ein Kind wird abgeklatscht. Dann ist auch schon die 2. Runde fertig, raus aus den Schuhen, Absteigen, mir wird das Rad abgenommen - ich drehe die Nummer nach vorne und die Helfer holen schon meinen Laufbeutel, echt ein toller Service! Im Zelt sehe ich kurz crobi - hey, super!!! Ich gebe der Helferin meinen Helm und Brille, trockne mir die Füße ab, Söckchen, Schuhe, schnappe meine Mütze mit den Gels und Marshmellows drin und laufe los.
Run So, nun erst mal im Loslaufen die Gels in die Rückentasche verstauen. Das klappt irgendwie nicht, also stopfe ich sie in der Hose unter den Beinabschluss, setze die Kappe auf und laufe erst mal. Das Wetter hat sich auch gebessert und es stehen auch an der Laufstrecke viele Leute, die uns anfeuern. Das Grinsen vom Radfahren bleibt auch beim Laufen. Erst geht es Richtung Stadion, wo man das erste Rundenbändchen bekommt. Da steht auch mein Mann und meint „Na, willst du heute früh nach Hause, so schnell wie du auf dem Rad warst?!“, hey, das heißt ich war schnell?! Cool!!! Wasser und Cola fassen und weiterlaufen. Ein paar Schlucke trinken, das geht im Laufen. Aus dem Stadion raus ein paar Stufen. Ui. Ich fummele dann doch die Gels in meine Rückentasche. Nun geht es über eine Brücke, wo eine Sambaband einem das Hochlaufen erleichtert, in den Wald. Der Untergrund ist oft ziemlich schlammig, aber das ist egal. Es läuft sich gut. Ja, es läuft. Mal schauen, wie lange es gut geht. So lange laufe ich, was geht und habe Spaß. keko kommt mir entgegen, wow, der hat die erste Runde bald rum! An der Verpflegungsstationen nehme ich Cola und Wasser oder nur Wasser. Der Bauch gluckst ein bisschen, aber es ist noch ok. Dann geht es das 2. Mal ins Stadion und ab auf die letzten 10 km. Es läuft immer noch. Ein Kerl in grün-weißem Einteiler überholt mich, ich überhole ihn dann wieder. An der Verpflegung überholt er mich wieder. Dann ich ihn. Er meint dann „also irgendwie komme ich nicht von dir weg!“. Ob das die Windjacken-Scheibe ist?! Das Labertäschle überholt mich, na also, hach, so möchte ich auch mal rennen können... Dann kommt der Wendepunkt im Wald, mein 2. rosa Bändchen, ich bedanke mich bei den Helfern und will jetzt auch heim ins Ziel. Beim km-Schild 16 denke ich noch „hey, das war dein längster Lauf in der Vorbereitung“ - aber 4 km noch, das ist kein Problem. Einfach weiterlaufen. Dann kommt das Stadion ist Sicht- und Hörweite, mein Mann steht am Zaun und ruft „für unter 5 Stunden musst du dich jetzt aber beeilen!“. Hä? 5 h? Ob ich etwa... Auf der Radstrecke hatte ich gegen Ende irgendwann Glockengeläut gehört, wenn dass das 12-Uh-Läuten war, dann... Ich ziehe das Tempo an, laufe runter zum Stadion, als ich einbiege, höre ich den Sprecher sagen „jetzt wird es spannend, ob die Läufer aus der ersten Startgruppe noch unter der 5-h-Marke bleiben...“. WAAAAAHHHHH! Ich schmeiße den Schwamm weg, der unter meinem Träger klemmt, richte die Startnummer und renne los was geht, überhole noch einen Mann - aber der Zielkanal ist lang und breit, so dass ich kein schlechtes Gewissen habe - und spurte ins Ziel. Das Auslösen mit dem Chip am Handgelenk verhindert die Siegerpose, aber egal. Wow. Nun erst mal Schlange stehen für das Finishershirt. Ach ja, Uhr anhalten. Dann schnell zur Kuchentheke. Da treffe ich dann den Kerl im grün-weißen Einteiler und sehe die Startnummer - ja, das ist die Windjacken-Scheibe. Glückwunsch.
After Race Das übliche, Kuchen, bleifreies Bier, Kuchen. Bleifreies Bier. Duschen. Grinsekatze. So langsam schleicht sich der Muskelkater an. Das ist ok, der darf das heute. Ich bin total geflasht. Es lief viel besser als in meinen kühnsten Träumen und ich hatte wirklich Spaß. Und die Zeit ist der Knaller. 4:58. Auch wenn die Schwimmstrecke vielleicht ein bisschen zu kurz war, wie keko meint und die Radstrecke wohl auch keine vollen 80 km laut glaurungs gps. Aber dennoch reicht es mir jetzt erst mal mit Pisswetter-Wettkämpfen.
Danke an alle, die an mich gedacht, mich unterstützt, angefeuert, meine Vorwettkampf-Nervosität ertragen haben. Danke auch an das Universum, das meine Wetterbestellung zwar nicht ganz wie bestellt ausgeliefert hat, aber es wusste wohl, dass das so die perfekten Rennbedingungen für mich an dem Tag sein würden.
_________________ swim, bike, run, eat, drink, fun - ich liebe alles!
Mitlesen, leiden, lachen und lästern: Urmels Alltags- und Trainingsgeschichten
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