Das meiste wurde ja schon berichtet, ein paar Dinge möchte ich aber auch noch anfügen:
Die gesamte Woche vor dem Ironman war ich super nervös. Ich denke, etwa 90% meiner Gedanken haben sich um den Eiermann gedreht. Vielleicht hätte ich im Vorfeld doch nicht die Messlatte so hoch heben sollen. Unter 10h und Hawaii Quali - da kann man eigentlich nur verlieren. Ich habe Schiss vor dem Schwimmpart und bin noch nie einen Solomarathon von 3:30 gelaufen. Letzteres müsste ich schaffen, um meinen Zeitplan 1:05 - 5:10 - 3:30 zzgl. Wechselzeiten einhalten zu können. Die letzten beiden Jahre ging der letzte Qualiplatz für glatte 10h weg und damit rechnete ich auch in etwa in diesem Jahr.
Am Freitag nach der Pastaparty schon beschissen geschlafen und morgens um 5 Uhr wach gewesen, ohne wieder einzupennen. Etwa halb acht dann endlich raus aus dem Bett und erstmal zum Frisör gedackelt. Will ja wenigstens 'nen gescheiten Haarschnitt fürs Finisherphoto haben
Auf dem Rückweg Brötchen mitgebracht und mit Matthias ausgiebigst gefrühstückt. Wir haben dann noch unsere Sachen gepackt und uns dann für eine kurze Koppeleinheit fertig gemacht. Nach einem Kilometer habe ich einen Platten am Hinterrad. Also Mantel ab und abgesucht, ob sich irgendwo ein Splitter oder Nagel findet. Aber da ist nix - gar nix
Ersatzschlauch rein, alles wieder zusammengefrickelt und weiter gefahren. Zeitverlust: 7min.
Scheiße, wenn das am Sonntag passiert.
Insgesamt knapp über 20min gefahren und dann noch zwei Kilometer locker gelaufen.
Anschließend wieder nach Hause, Mantel nochmal eingehend untersucht, aber immer noch nichts gefunden. Also was machen? Nochmal ins Radgeschäft und einen neuen Mantel kaufen, oder darauf vertrauen, dass das nur ein kurzer Einstich war und kein Fremdkörper im Mantel verblieben ist?
Jedenfalls habe ich das Rad auf 8 bar aufgepumpt und dann sind Matthias und ich zum T-Online Fußballturnier losgezogen.
Natürlich wollten wir da nicht Fußball spielen, aber da das ganze im Hochschulstadion stattfand und dieses Stadion über ein 50m Freibad verfügt, wollten wir nochmal eine kleine Schwimmeinheit einlegen.
Matthias nimmt mir auf 100m etwa 10m ab, was zu zusätzlichen Frust führt.
Nach 400m meine ich, dass das jetzt eigentlich reicht und gehe mich duschen und umziehen.
Am Buffet haben wir uns dann mit Nudeln eingedeckt und haben uns dann auf den Weg gemacht, um unsere Räder einzuchecken.
Das Hinterrad hatte noch genauso viel Luft, wie zuvor, also habe ich den Mantel nicht gewechselt.
Der Abend beim Italiener wurde ja schon zur Genüge beschrieben. Ich bin dann zwischendurch nochmal raus, um mir zwei weitere Ersatzschläuche zu holen. Sicher ist sicher. QRoo konnte es sich natürlich nicht nehmen lassen, mir diverse Raddefekte zu beschreiben, die mich auf der Strecke ereilen werden. Danke dafür
Um 22:30 ins Bett, nachdem der Wecker auf 4 Uhr gestellt wurde.
Den Wecker hätten wir uns auch sparen können.
Etwa um zwei Uhr bin ich aufgewacht und kurze Zeit später höre ich, dass Matthias im Nebenzimmer auch schon irgendwie aktiv sein muss.
Ich bin dann zwar nicht aufgestanden, weil ich hoffte, wieder einschlafen zu können, aber damit wars nix.
Also dann erst um vier aufgestanden, Brötchen aufgebacken, Kaffee gekocht und kurz gefrühstückt, dann ab an den See.
Dort viele bekannte Gesichter getroffen. Das ist das schöne, an einer "lokalen Veranstaltung", dass man ziemlich viele Leute kennt. Sei es aus Foren, aus dem Verein, oder sonstwie privat. In dem Moment fühlt man sich einfach nicht mehr einsam, sondern hat Leidensgenossen um sich.
Als ich zum Wasser gehe, fühle ich mich wieder wie ein Schaf, das auf die Schlachtbank geführt wird. Mein Pulsmesser zeigt 110 Schläge an. Mein Ruhepuls liegt sonst bei 44
Aber im Wasser ist auf einmal sämtliche Nervosität verflogen. Ich bekomme eher Angst als ich sehe, wie schmal der Startbereich ist und wie viele Athleten noch rechts und hinten am Ufer stehen.
Langsam wird es auch um mich herum sehr voll - ich befinde mich etwa fünf Meter hinter der Startlinie.
Als der Startschuss fällt, kann man das dann kommende Geschehen als 3,8km Massenschlägerei bezeichnen.
An der ersten Wendeboje bekomme ich einen Schlag ins Gesicht, so dass die Schwimmbrille vollläuft, hinter der zweiten Wendeboje meint der Typ neben mir, auf Brust umsteigen zu müssen und tritt mir mit voller Wucht in die Wade
Beim ersten Landgang zeigt die Uhr ca. 40min für 2200m an. Das ist OK, hätte aber bei besseren Platzverhältnissen auch besser sein können.
Die zweite, kleine Runde, geht auch ziemlich fix vorbei, immer wieder angereichert durch liebevollen Körperkontakt meiner unmittelbar um mich herumschwimmenden Sparingspartner.
Meine Uhr zeigt ca. 1:09 nach dem Swimsplit. Nicht ganz das, was ich mir vorgenommen hatte, aber immer noch sehr gut für mich. Damit habe ich meine Schwimmzeit von 2005 bis jetzt von 1:25 über 1:18 auf 1:09 verbessert
Nun also endlich meine Lieblingsdisziplin, das Radfahren. Einige aus meinem Verein meinten, dass ich mich mit einer 5:10 ganz schön weit aus dem Fenster lehnen würde. Aber eigentlich zeigten meine Trainingsaufzeichnungen, dass die Zeit eigentlich machbar sein sollte.
Sofort mit bombischen Druck losgefahren und stelle auf der Bundesstraße Richtung Frankfurt fest, dass es einige Jungs nicht so ganz genau mit der Windschattenbox nehmen. Besonders krass fällt mir ein Duo auf, wo der Hinterherfahrende ständig am Hinterrad des Vordermannes klebt. Der Abstand betrug vielleicht 15cm - mehr nicht
Jose Antonio aus Spanien kennt die Regeln scheinbar nicht so genau und als ich seinen Namen rufe und ihn böse ansehe, guckt er mich genauso böse an, ändert aber nichts an seinem Verhalten.
Ich fahre weiter mit ziemlichen Druck und stelle beim Blick auf die Polar fest, dass ich im anaeroben Bereich bin. Also ein wenig Tempo zurückgenommen. Kurze Zeit später kommt wieder das Duo an mir vorbei. Der Vordermann guckt mich an und fragt mich, ob ich wüsste, dass da einer an meinem Hinterrad klebt?
Ich bedanke mich und weise ihn darauf hin, dass er auch einen Trainingspartner hinter sich hätte. Als die beiden vorbei sind, gucke ich nach hinten und tatsächlich: da klebt einer direkt an meinem Hinterrad. Ich mache sofort einen abrupten Schlenker nach links, und Tom - so war sein Name auf seiner Startnummer - sucht sich das nächste Hinterrad und fährt an mir vorbei.
Ich habe eine tierische Wut in mir. Aber am schlimmsten ist wirklich Jose Antonio. Jeder Schlenker, den sein Vordermann macht, macht er mit und weicht dem armen Kerl nicht vom Hinterrad.
Beim ersten Mal am Mainkai vorbei, zeigt mein Tacho einen Schnitt von 40,3km/h
Da ich mich super fühle, nehme ich nicht raus, sondern bleibe beim eingeschlagenen Tempo. Kurz vor Maintal beschließe ich spontan, mir nochmal das letzte Gel und ein wenig Iso durch den Kopf gehen zu lassen
Bei km 60 zeigt der Tacho immer noch einen Schnitt von 38,4km/h und es geht mir weiter gut. Mittlerweile fahre ich auf einige Pulks auf, durch die kaum durchzukommen ist. Ich bin eindeutig besser drauf als die und habe keine Lust, mir deren Schnitt aufzwängen zu lassen.
An der nächsten Kreuzung, an der links abgebogen werden muss, fahren alle ordnungsgemäß auf der rechten Spur bis zur Kreuzung und biegen dann ab. Ich nehme die Spur vom Gegenverkehr, kürze ab und habe damit etwa 20 Leute auf einmal abgehängt
Ich merke, dass das Tempo vielleicht etwas hoch ist, aber ich fühle mich nach wie vor saugut und sehe keine Veranlassung, rauszunehmen.
Etwas enttäuschend ist der Zuschauerzuspruch. Warum die Strecke durch Bad Nauheim führt, ist mir ein absolutes Rätsel. Gezählt habe ich die Leute nicht, aber mehr als 1-200 haben da bestimmt nicht gestanden.
Die zweite Runde lief ähnlich gut, wie die erste Runde, von ein paar muskulären Problemen im rechten Bein abgesehen. Fing mit dem Oberschenkel an und ging dann ins Knie, dann in die Wade. Da konnte meinetwegen so weitergehen, sofern die Schmerzen einfach weiter den Weg nach unten nehmen würden. Kurz vor dem Wechsel auf den Lauf waren die Schmerzen dann auch tatsächlich im Knöchel angekommen und beim Laufen dann ganz weg
Kurz vor dem Wechsel bin ich noch an einem Streckensprecher vorbeigekommen, der den Zuschauern verkündete, dass die gerade vorbeikommenden Athleten zwischen Platz 260 und Platz 270 im Gesamtklassement liegen.
So schlecht? Wie soll ich denn da 'nen Qualiplatz kriegen, bei nur 120 Plätzen gesamt?
Naja, ich fixiere mich mal auf die Zielzeit von sub10. Nach 4:54 steige ich vom Rad
Gigantisch!
Der Wechsel lief perfekt: Socken an, Schuhe an, Mütze auf und raus. Mist, vergessen, die Brille abzusetzen. Ich laufe gleich an ein paar Kollegen vorbei, die mich anfeuern, dann an einigen Vereinsfreunden und ich fühle mich riesig.
Erster Kilometer in 4:30 gelaufen, also Tempo rausnehmen. Zweiter und dritter km in 4:45 - also noch ruhiger werden.
Dann habe ich mich auf ein 5min/km Tempo eingependelt. Ich werde ausnahmslos überholt, aber das ist mir egal. Ich will hier einen 3:30er Marathon laufen und das ist ein 5er Schnitt. Und es ist sehr leer auf der Laufstrecke - ich bin begeistert.
Auf der zweiten Runde gesellt sich Klugschnacker zu mir (in zivil), stellt sich mir vor (Hallo Klugschnacker
), fragt nach meinem Befinden (zu dem Zeitpunkt noch super) und bietet mir an, dass er mich gerne mit Gel etc. versorgt.
Ich bin ganz gerührt von dieser lieben Geste und laufe weiter.
Kurze Zeit später fange ich an, mich richtig scheiße zu fühlen. Ich bin auf einmal unendlich erschöpft, so als wenn ich seit 48h nicht mehr geschlafen hätte. Mir fallen während des Laufens die Augen zu und ich laufe fünf Schritte mit geschlossen Augen, gucke kurz, ob ich auf den Weg in den Main bin, korrigiere und schließe wieder die Augen.
Wenn ich könnte, würde ich mich sofort auf die Wiese legen und einpennen.
Hätte ich meine Brille nicht auf, die Sanis hätten mich jetzt bestimmt von der Strecke gezerrt. Ich bin absolut nicht aufnahmefähig und bekomme von dem Geschehen um mich herum nichts mehr mit. Ich sehe zwar noch die Supporter, was sie mir zurufen, kann ich allerdings nicht mehr registrieren.
An der Gerbermühle schütte ich mir massivst kaltes Wasser ins Gesicht und werde langsam wieder wacher.
Ich habe irgendwo unterwegs Pioto überholt. Aber ich weiß nicht mehr, ob es auf meiner zweiten oder dritten Runde war.
vb_man und Matthias müssen mich auf meiner dritten Runde überholt haben. Daran kann ich mich aber nur erinnern, weil vb_man mir eine Kiste Bier für mein zweites Bändchen geboten hat. Typisch Getränkebeauftragter
Matthias war so locker drauf, als wäre er kurz vorher aufgestanden und würde jetzt einen lockeren Trainingslauf machen. An vb_man konnte ich einigermaßen dranbleiben und als er merkte, dass ich ihn gleich wieder überholen würde, hat er noch schnell eine Pinkelpause simuliert. So hat er mich um meinen großen Triumph gebracht.
Wie er ja schon selbst geschrieben hat, hat er sich dann an mich rangesaugt und meinen Windschatten schamlos ausgenutzt. Als er dann erneut versucht hat zu attackieren, wurde er gleich mit einem bösen Krampf bestraft.
Also hat doch die Gerechtigkeit gesiegt
So mittlerweile wurde es dann aber doch etwas knapp mit meinem sub10 Finish. Also war Tempoverschärfung angesagt - sofern das überhaupt gehen kann. Gefühlt war ich dann wieder sauschnell unterwegs. Die (bestimmt gefälschten) Zahlen in der Ergebnisliste zeigen allerdings was anderes.
Ich versuche nochmal, alles zu geben, aber das ist zu wenig. Beim Einlauf in den Zielkanal springt meine Uhr auf 10:00:00 um. Ich renne nochmal wie blöd den Zielkanal hoch und anstatt die Stimmung zu genießen, hoffe ich immer noch auf einen Qualiplatz.
Im Ziel bin ich fix & fertig. Ich kann mich nur noch auf einer Absperrung abstützen, sonst würde ich vermutlich einfach umfallen.
Als ich im Verpflegungszelt einen Kumpel treffe, der in meiner AK gestartet ist und mit einer Zeit von 9:48 "nur" 60. in der AK geworden ist, bin ich sehr erstaunt und habe die Gewissheit, es nicht geschafft zu haben.
Meine Enttäuschung darüber hält sich ziemlich in Grenzen und die Zeit von 10:00:47 lässt mir ja immer noch ein Ziel für den nächsten Eiermann.
Den wird es mit Sicherheit im nächsten Jahr geben - soviel steht fest.
Er wird aber für mich weder in Frankfurt, noch in Roth stattfinden. Jetzt, wo ich das Geld für Hawaii gespart habe, kann ich ja mal ein bisschen auf Reisen gehen und mir andere schöne Veranstaltungen ansehen
In dem Sinne: Wir sehen uns 2008!!
und jetzt grübel ich schon die ganze Zeit, ob ich dieses Jahr noch Bodensee oder Köln machen soll
Für die Statistiker:
1:09:15 - 3:37 - 4:54:57 - 1:11 - 3:51:45 Gesamt: 10:00:47
AK-Platz: 90/512
Overall: 368/1888