T minus 3 TageNachdem wir die Nacht durchgefahren sind, erreichen wir kurz nach Tagesanbruch den Fährhafen in Rostock. Auch die Überfahrt auf auf der relativ ruhigen Ostsee klappt problemlos. Unser Plan ist es, direkt nach Kalmar durchzufahren und dort auf dem Campingplatz abzusteigen. So haben wir im Vorfeld des Wettkampfs ausreichend Zeit für Streckenbesichtigung, Stadtbummel etc.
Wie gesagt: Plan! Wir sind gerade erst in Trelleborg von der Fähre runter und 3km gefahren, da macht es unüberhörbar Klonk! und ein heftiger Ruck geht durch's Auto. Sabine und ich gucken uns an, aber das Auto fährt erstmal weiter. Irgendwann wieder: Klonk!
und ein Ruck, als ob gerade der Reifen von der Felge gesprungen ist. Kurze Sichtkontrolle am Straßenrand ohne Befund.
Aber es zeigt sich, daß es vornehmlich beim Beschleunigen auftritt. Also zuckeln wir gemächlich über die Straße, die erst zur Baustelle wird, dann zur Autobahn. Am Stadtrand von Malmö halten wir Ausschau nach einer Werkstatt, können aber nicht mal eine Tankstelle ausmachen. Dafür gibt es - wie könnte es in Schweden anders sein - einen IKEA. In der Hoffnung, daß die dort wenigstens ein Telefonbuch haben, zuckeln wir auf den Parkplatz.
Telefonbuch haben sie keines, der freundliche Herr vom Serviceschalter hat aber einen Computer mit Internet, sucht uns die Nummer der lokalen VW-Werkstatt heraus und ruft sogar dort an.
Leider ist auch in Schweden noch Urlaubszeit, die Werkstatt unterbesetzt und wir werden abgewiesen.
Eine andere Werkstatt will uns auch nicht helfen, auch voll ausgebucht. Also wenden wir uns an die Assistance von Volkswagen. Die schicken uns einen Abschleppwagen, der auch schon 2 Stunden später auf dem IKEA-Parkplatz eintrifft.
Zurück zum Plan: Eigentlich wollten wir ja unterwegs an irgendeinem Supermarkt anhalten und uns mit Brot etc. zum Abendessen und Frühstück eindecken. Dummerweise gibt es hier nur Möbelhäuser, Elektronikmärkte etc. Aber IKEA ist ja zum Glück überall gleich und so besteht unser kombiniertes Mittag- und Abendessen aus einem Hotdog. Kostet übrigens in Schweden nur 55 Cent
, allerdings gibt es hier keinen Hotdog-Baukasten mit Gurken und Röstzwiebeln. Für den Notfall nehmen wir auch noch eine Packung Knäckebrot aus dem Schwedenshop mit.
Der Abschleppwagen bringt uns zur VW-Werkstatt, die nach der ganzen Wartezeit natürlich schon geschlossen ist. Der Fahrer gibt uns noch einen Tipp, wo wir ein Hotel finden können und verschwindet dann wieder. Nach kurzer Diskussion beschließen wir, lieber auf dem Parkplatz vor der Werkstatt zu campieren. Mal sehen, wann wir hier wieder weg kommen und ob wir es bis zum Freitag nach Kalmar schaffen.
So 'nen Mist braucht man vor einer Langdistanz garantiert nicht auch noch.
Wir nehmen erstmal die Trekkingräder, fahren zur nahegelegenen Tankstelle und machen Noteinkauf: eine Flasche Cola und ein paar Brötchen für's Frühstück. Dann schwingen wir uns erneut in den Sattel und radeln die 10 Kilometer in die City von Malmö und machen ein kurzes Mini-Sightseeing bevor wir uns am Hafen vor einen Leuchtturm setzen und ein paar Scheiben von unserem Knäckebrot knuspern. Wir vesuchen, das Beste aus der Situation zu machen.
T minus 2 TageWir sprechen in der Werkstatt vor, schildern unser Problem. Unser Gegenüber macht ein besorgtes Gesicht, es wäre ja noch Urlaubszeit und die Mechaniker hätten zu viel zu tun. In ein paar Tagen könnten sie sich drum kümmern. Kein Wunder, ist ja auch die Werkstatt, die uns gestern schon abgewiesen hat. Ein wenig Hartnäckigkeit und der Hinweis, daß uns die VW-Assistance schließlich hierher geschleppt hat, dann verspricht er, sich den Schaden zumindest mal anzusehen. Unser Bus verschwindet hinter dem Rolltor, wir bekommen in der Zwischenzeit immerhin kostenlosen Kaffee. Durch ein schmales Fenster können wir zumindest erkennen, daß sich inzwischen mehrere Mechaniker diskutierend und gestikulierend um unser Auto versammelt haben.
Bei uns weckt das kein gutes Gefühl. Inzwischen habe ich keine wirkliche Lust auf den Triathlon,
so 'nen Mist braucht man vor einer Langdistanz garantiert nicht auch noch.
Nach ewiger Wartezeit kommt der Kundenbetreuer und teilt uns mit, daß sie das Problem identifiziert haben, wir könnten uns den Schaden gerne ansehen. Aufgrund dieser Formulierung verstärkt sich mein schlechtes Gefühl nochmals schlagartig. Es ist die Antriebsachse. Eine Steckverbindung mit Vielfachverzahnung ist ausgeschlagen und rutscht durch. Vermutliche Urache ist, daß die Verbindung trocken lief, eigentlich aber geschmiert sein müßte. Auf meine Nachfrage hin meint der Meister, daß das Fett normalerweise ein Autoleben lang hält, wohl bereits bei der Montage vergessen wurde, denn nachschmieren kann man an der Stelle gar nicht. Die gute Nachricht: Der Meister ist sich sicher, daß es der einzige Fehler ist, und nach einem Austausch der Wagen wieder einwandfrei läuft. Die schlechte Nachricht: Das Ersatzteil ist recht teuer. Die nächste schlechte Nachricht: Das Teil muß erst bestellt werden. Die gute Nachricht: Es ist im nächstgelegenen Depot vorhanden und ist wahrscheinlich morgen schon da.
Das bedeutet im Klartext, daß ein Mechaniker das Teil (wenn es denn pünktlich kommt) am Freitag Morgen um 07:00 Uhr einbaut, wir das Auto dann (wenn es denn der einzige Defekt war) ca. um 10:00 Uhr zurückbekommen und dann ungefähr 3 Stunden nach Kalmar brauchen, wo wir um 13:00 die Startunterlagen abholen wollen. Nachdem es aber selten so optimal läuft, vor allem wenn Autowerkstätten mit im Spiel sind, beschließe ich, den Triathlon sausen zu lassen,
ich hab in dem Moment echt nicht die Nerven für eine Langdistanz. Sabine beschließt allerdings, einen Leihwagen zu nehmen und das Gepäck auf ein Minimum zu beschränken, Hauptsache das Triathlonrad kommt mit. Naja, sie ist der Chef. Die Europcar-Filiale, die sich direkt in der VW-Niederlassung befindet, zeigt sich ungewohnt kooperativ und der Angestellte nimmt uns mit auf den Hof - wir dürfen und ein Auto aussuchen. Natürlich gibt es keine Dach- oder Heckträger für die beiden Räder, aber einen Skoda mit Anhängerkupplung ist im Angebot. Der Autoverleiher schlägt uns vor, wir könnten uns dann für 20 Euro einen Fahrradträger aus dem Baumarkt holen.
Wir entscheiden uns dann aber doch lieber für den Passat und versuchen, die Räder irgendwie im Kofferraum zwischen das Reisegepäck zu stapeln.
Es war am Ende aber erstaunlich, daß nahezu das komplette Gepäck eines vollgepackten VW-Bus in den Kofferraum des Passat paßt: Mein Triathlonrad, Sabines Trekkingrad, zwei mal Triathlonausrüstung mit Neopren, Radhelm, Schuhe, Flaschen etc., unsere Zivilklamotten, das Zelt, Isomatten, Schlafsäcke und noch das Vorabend- und Feierbier.
Zurückbleiben mußten eigentlich nur Klappstühle und -tisch, Vorzelt, mein Trekkingrad und unser Weinvorrat.
Mittags ging es dann endlich weiter Richtung Kalmar. Zwischendurch gabs dann am Straßenrad noch schnell - Tapering war eh schon egal - korv med potatismos, eine seltsame Bratwurst und Kartoffelbreikugeln vom Eisportionierer.
Der Plan, auf dem nahegelegenen Campingplatz im Bus zu schlafen war ja nun hinfällig geworden. Dafür hatten wir aber das kleine Zelt als Plan B mitgenommen. Der Platz liegt nur gut 3 Kilometer vom Start/Ziel entfernt und damit natürlich optimal für den Wettkampf. Im Auto lese ich dann, daß es in Kalmar auch noch eine Jugendherberge gibt. Und die ist erstens nur einen Kilometer vom Start entfernt und liegt zweitens direkt an der Rad- und Laufstrecke. Da könnte Sabine sogar zwischendrin Schläfchen halten wenn ich draußen auf der Radrunde bin. Wir steuern also die Jugendherberge an und fragen nach einem Zimmer. Tja, leider alles belegt, erklärt und die Dame von der Rezeption, denn am Wochenende ist irgend so eine Sportveranstaltung. Also nix Unterkunft, so 'nen Mist braucht man vor einer Langdistanz garantiert nicht auch noch. Letzter Versuch, ich bin ja normalerweise eher zurückhaltend, aber nun drücke ich auf die Tränendrüsen und erkläre die Lage, daß wir ja im Bus schlafen wollten, der aber kaputt in Malmö steht und wir zwei ganz arme Würstchen sind.
Das mit dem Zelt im Kofferraum und der eigenen Triathlon-Teilnahme lasse ich mal lieber weg. Naja, da gäbe es vielleicht noch einen Raum, der ab und zu vom Personal genutzt wird - aber der wäre nicht sehr groß.
Ob wir den trotzdem haben wollen. Na und ob! Irgendwas muß ja mal in diesem Urlaub klappen. Später sollte sich noch herausstellen, daß es wohl das beste Zimmer auf der ganzen Etage war.
Nachdem ich die Räder wieder zusammengebastelt hatte, machte ich mich noch zur Besichtigung der Radstrecke auf. Doch dazu später mehr. Zur Feier des Tages gab's am Abend noch einen Stadtrundgang - nach dem Wettkampf hab ich ja möglicherweise keine Lust mehr dazu.