Keine Wassermelonen mehr und trotzdem Spaß gehabt
Ja, im Nachhinein wurde gemeckert. Auch schon vorher wurde gemeckert. Der München Triathlon ist teuer, die Radstrecke ist langweilig, der Karlsfelder ist viel besser, da er von einem Verein organisiert wird und schnickschnack. Auch ich habe kurz nach dem Triathlon gemeckert. Aber hauptsächlich mal, weil es keine Wassermelonen mehr gab. Auf die hatte ich mich nämlich schon die ganze Zeit gefreut. Aber ich fange ja meinen Bericht gerade von hinten an und sollte mit den Wassermelonen nicht vorgreifen, sondern mal von vorne erzählen. Vom Samstag also. Aber erwähnt werden muss auf alle Fälle vorher noch eine neue Erkenntnis. Nämlich: Kein Triathlon ist gleich. Egal, wie sehr Du vorbereitet bist – es kann irgendetwas passieren. Irgendetwas, an das Du vorher nicht gedacht hast. Irgendetwas, das dann schuld daran ist, dass Du nicht ins Ziel läufst oder dass Du eine schlechte Zeit erreichst. Und wenn das so ist, dann sollte man das Beste draus machen, sollte Spaß haben und nicht alles so super ernst nehmen. Der Samstag also, an dem die Hitze nach München gekommen ist. Gegen Nachmittag fahren wir raus nach Riem. Wir wollen über die Messe bummeln, baden, ein wenig schwimmen und dann später Realdedo treffen, um zu grillen. Als wir in Riem ankommen, brütet die Hitze schon in allen Ecken und nistet sich ein. Im Park weht kein Wind, die Sonne brennt vom Himmel. Wir schleppen uns zu Fuß zur Messe. Dort ist schon einiges los. Es laufen schon Wettbewerbe, viele holen ihre Startunterlagen, Triathleten vermischen sich mit Badegästen aus dem Riemer Park. Wir schlendern über die Messe, essen Kuchen und trinken was. An einem Stand lernen wir zwei nette Triathlonladenbesitzer aus Düsseldorf kennen. Wir unterhalten uns ein bisschen über die Läden, die es in München so gibt. Jockel macht mit ihnen aus, dass er sich morgen hier einen Neo ausleihen kann, wenn es denn erlaubt sein wird, Neo zu tragen. Der See soll 21° haben. Als ich jedoch im Bikini reinspringen möchte, bleibt mir fast das Herz stehen. Umgehend verlasse ich das Wasser, pelle mich inmitten der Badegäste in meinen Neo und versuche es dann noch mal. So ists schon besser. Also übe ich schon mal Orientierung im See und versuche, auf geradem Weg von einer Boje zur anderen zu schwimmen. Das gelingt mir ganz gut, nur dass ich fast von einem Gummiboot überfahren werde. An dieser Stelle wird es langweilig und ich leite gleich mal in den Abend über. Ich könnte noch was von dem Eliterennen erzählen und dem Typ in der lila Badehose, die wir gern hätten, weil sie so gut zu Jockels neuer 90-er-Jahre-Möhre passen würde. Aber das ist schon zu viel erzählt und da kommt jetzt also Realdedo mit Gefolge an und stellt sein Zelt in einer Idylle mitten auf dem Messeparkplatz auf. Wir schmeißen den Grill an und es gibt Eiweiß und Fett anstelle von Kohlenhydraten. In der Ferne sehen wir ein Wetterleuchten und bis auf den Parkplatz ist es wirklich romantisch. Gegen 23 Uhr hauen wir ab. Wir müssen noch packen und schlafen wäre auch nicht schlecht.
So klingelt dann also am Morgen der Wecker um 8 Uhr. Das ist der einzige Vorteil, wenn man erst um 12 Uhr startet. Wir sind einigermaßen ausgeschlafen und ich für meinen Teil bin kaum nervös. Langsam entwickle ich Routine. Ein kurzes Frühstück, dann schieben wir unsere Räder zur U-Bahn und in sie hinein. In der U-Bahn sind schon andere Triathleten und von Station zu Station werden es mehr Leute und mehr Räder. Jockel stellt noch fest, dass er technisch ganz gut mithalten kann, farblich jedoch völlig daneben liegt. Ich unterhalte mich mit einem Mädel, das die Startnummer vor mir hat, noch übers Schwimmen. Sie sagt, sie würde ohne Neo 36 Minuten schwimmen und mit 32. Ich schwimme ohne 40. Punkt. Sie ist froh, als sie das hört. Und an dieser Stelle möchte ich noch mal meine Eingangsworte erwähnen: alles kann anders werden, als man es gewöhnt ist.
Vor dem Start gibt’s noch ein wenig Hektik: Wettkampfbesprechung, der Versuch, die Schwimmstrecke zu kapieren, die in einem Zickzackkurs durch den See führt, Klamotten abgeben, Banane essen, Neo anpellen, Einschwimmen. Beim Einschwimmen ist noch ein Mädel da, das ich über meine Schwimmzeiten unterrichte und sie meint, sie würde sich dann an mich dranhängen. Sie hätte ja noch keinen Triathlon gemacht. Ich glaube, in meinem Neo seh ich unheimlich professionell aus. Dann müssen wir schon über die Registrierungsmatte. 30 Sekunden, 15 Sekunden, ich stehe nicht ganz hinten, nicht ganz außen, Start! Es geht los. Ich hüpfe gemächlich ins Wasser, keine Eile, ich hab Zeit. Ich kraule dann los und unter mir ist noch Boden und neben mir noch Leute. Im Kraichgau war ich irgendwann allein. Hier jedoch sind Leute rechts und links. Vor mir ein Brustschwimmer, der strampelt und tritt und an dem ich partout nicht vorbeikomme. Wir bleiben alle irgendwie zusammen. Und so kommt es, dass ich dieses Mal nicht die Orientierung verliere. Vier Bahnen durch den See müssen wir schwimmen, 3 Mal wenden. Jedes Mal nach der Wende sind die Leute wieder vor mir, die ich abgehängt hatte. Komisch, aber wurscht. Ich drehe mich mal um und sehe hinter mir noch andere schwarze Bademützen. Auf der 3. Bahn gibt es dann doch eine kleine Verwirrung. Wir scheinen zu weit rechts zu schwimmen, denn uns kommen Leute entgegen, die schon auf der 4. Bahn sind. Ich schwimme schnell zurück nach links, gerate trotzdem jemandem in die Bahn, der mich dann fort schiebt. Als wir auf der 4. Bahn sind, passiert uns das gleiche. Uns kommen Leute mit roten Bademützen entgegen, die weiter drüben schwimmen sollten. Nun ja... Die letzten Meter schwimme ich Brust. Ich komme gut voran und sehe so auch besser, wo der Ausstieg ist. Die Helfer ziehen uns raus und schon geht’s zur Wechselzone und ich schaffe es sogar, meinen Neo schon mal bis zur Hüfte runter zu ziehen. Ein Blick auf die Uhr...38 Minuten, steht da. Ich bin also unter 40 geblieben. In der Wechselzone stehen dieses Mal noch einige Räder. Unter anderem das meiner Nachbarin, die ja 32 Minuten schwimmt... Ich würge schnell nen Riegel runter, der irgendwie zerbröselt und nicht weniger wird, vergesse, meine Startnummer dran zu machen und renne mit dem Rad los. Am Ausgang fällt mir das mit der Startnummer auf, ich schiebe schnell an den Rand und mach sie drum. Als ich aufsteigen will, kommt son Dödel von hinten, stellt sich vor mich, klickt in aller Ruhe seine Schuhe ein, ich darf hinter ihm warten. Dann fährt er los, schwankt nach rechts und nach links und nervt. Naja, auch egal. Mir kommt es auf die Minute nicht an. Dann geht’s los. Schnurgerade Radstrecke dieses Mal und ich möchte jetzt endlich auch mal nen 30er Schnitt schaffen. Am Anfang geht’s um 1000 Ecken rum. Immer, wenn man gerade in Fahrt ist, muss man wieder bremsen. Irgendwann bleibts dann mal beim Geradeaus. Mensch, 34 km/h, 36 km/h, wunderbar! Meine Zielzeit von 1:20 fürs Radfahren ist durchaus drin. Leider kommt dann die Fahrt in die entgegengesetzte Richtung. Und: Wind! Ein fieser Wind direkt von vorne. Ich hasse Wind! Er nervt in den Ohren, ich kriege keine Luft, ich habe keine Kraft gegen ihn und keinen Bock, mit ihm zu kämpfen. Aus 34, 36 werden: 28, 26... Also beiße ich die Zähne zusammen und komme auf Runde Nummer 2. Wieder Zickzack, wieder Rückenwind und eine schöne Geschwindigkeit, zwischendurch ein Gel, ich überhole am Berg, werde aber danach sofort wieder zurück überholt, dann geht’s wieder gegen den Wind. Nee, wirklich nich, den mag ich nich. 25 km/h sehe ich irgendwann auf dem Tacho. Und das Glucksen fängt schon an. Jener eigenartige Druck im Magen, diese Luft, die da immer ist. Toll, denke ich mir, wird ein prima Laufen. Und ich merke irgendwie, dass ich sowieso überhaupt keine Lust zum Laufen habe. Ist im Kopf, nicht in den Beinen. Ich erreiche nach ca. 42 km und 1:23 die Wechselzone, schiebe einen ewig weiten Weg zu meinem Radständer, der Helm nervt und auch die Brille und es ist scheiße heiß. Ich laufe auch nicht wie die anderen über den Teppich, sondern gehe. Ziehe dann langsam meine Laufschuhe an und sollte nun loslaufen. Vor mir der Hügel. Keinen Bock. 35°, gefühltes Marokkoklima wie einst in Zagora und dann dieser Druck im Magen. Nach 100 m bleibe ich stehen, beuge mich kurz nach unten und denke mir, dass ich einfach nicht laufen kann. So quäle ich mich den Berg nach oben. Oben ruft mich einer und es ist Fastforward und ich grinse kurz und winke ihm zu. Dann geht’s bergab und unten dann gehe ich wieder. Ich denke ans Aufgeben und habe keine Hoffnung, noch 9 km laufen zu können. Kurz heule ich, ohne Tränen, jaule eher und jammere, gehe, laufe, schäme mich. Irgendwann registriere ich: da gehen noch andere. Da gehen viele. Da geht fast jeder. Alle Leute rufen: „Toll!“ und klatschen. Und ich sage ihnen: „Nee, nich toll!“ Irgendwann beschließe ich: ich schaffe das, ich gehe, ich komme durch, Zeit scheißegal. Nur vor 15.30 Uhr muss ich ankommen, denn da ist Zielschluss. Also fange ich an, das Ganze lustig zu nehmen. Rede hier was und da, frage mal in die Runde: „Weiß hier jemand, wie man rülpsen kann?“ Irgendwann kommt Wolfgang von hinten. Erzählt mir auch was von super, obwohl ich gerade mal wieder gehe. Ich laufe kurz mit, gehe dann aber wieder. Komme zum Berg, gehe den hoch. Vor mir pupst einer und ich bin neidisch, weil er seine Luft los wird und ich nicht. Dann treffe ich eine, die Jockel kennt und die heute 30 wird. Sie geht auch und meint, bergab würde sie wieder laufen. Und da kommt mein Ehrgeiz wieder zum Vorschein. Sie war beim Stadttriathlon 2 Minuten schneller als ich. Dieses Mal will ich schneller sein. Also laufe ich berghoch und ein bisschen bergab. Unten geht ein Pärchen Hand in Hand. Er sagt zu ihr, dass sie das schafft. Sie gehen ganz gemütlich. Unterwegs treffe ich dann noch zwei Jungs. Der eine erzählt, dass er sich für Roth angemeldet hat, sich aber morgen sofort wieder abmeldet. Ihm wäre das nun doch zu hart. Nun bleiben 2 km. Ich bin wieder locker über 3 Stunden. 50 Minuten hätte ich laufen müssen, um nach genau 3 Stunden ins Ziel zu kommen. Normalerweise wäre das eine reelle Chance. Doch normal ist an diesem Tag nichts. Und als ich dann nach 3:25 ins Ziel schleiche, fühle ich mich wie eine Heldin. 3 Minuten schneller als im Kraichgau und ein Rennen geschafft, aus dem viele ausgestiegen sind. Leider sind dann die besagten Wassermelonen aus und ich muss echt mal schimpfen.
Aber ansonsten kann ich sagen: ich hatte jede Menge Spaß und das ist das Allerwichtigste.
_________________ Werft mich in einen Fluss und wenn Ihr Pech habt, hab ich Glück und komm mit einem Fisch im Maul zurück.
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