Hochwassereinsatz Sachsen-Anhalt, 05.06.2013, Tag 3: gegen 6:00 kommen die ersten Anwohner aus den Häusern und machen sich auf die Socken. Der Kollege mit dem Nudelauflauf und der Korn-Flasche wankt mit hohlem Blick an uns vorbei zur Arbeit - da haben die Biere aber ordentlich Nachwirkung hinterlassen...

Unsere Ablösung kommt gegen 8:20, wir nehmen unsere Sachen und fahren zurück in die Unterkunft. Frühstück muss jetzt nicht sein, ich haue mich erstmal hin, Wecker auf 13:00. Feldbett mit Schlafsack ist nach wie vor richtig bequem finde ich. Nach dem Aufstehen duschen und kurzer Check der Lage, keine Anrufe auf dem Handy, kurz ein paar dienstliche Mails abgearbeitt und mal draußen an's schwarze Brett geschaut. Im Landkreis hat sich die Lage auch nicht geändert, Wetter ist traumhaft. Was nun? Laufen? Hm, da ich nicht weiß, ob und wann wir wieder raus gerufen werden beschließe ich, erstmal zu warten und zu frühstücken. Danach dann Anruf beim Gruppenführer, wie die Lage dort ist.
Die Gruppe baut grade ab, es fließt nur noch wenig Wasser in die Zisterne nach und der Reparaturtrupp soll am Nachmittag kommen, wir sollen dahin verlegen, wo wir dringender gebraucht werden. Allerdings ist nicht ganz klar, wohin eigentlich. Mein Copilot und ich bleiben also erstmal im Bereitstellungsraum und warten dort, bevor wir mit einem Shuttle eine Odyssey hinter unserer Gruppe her durch den Landkreis machen.
Immerhin: unser Einsatz hat dafür gesorgt, dass zum Einen in der Neubausiedlung die Keller nicht geflutet wurden weil wir das Wasser schnell genug wegbekommen haben und zum Anderen in Bennewitz die Zisterne nicht vollkommen übergelaufen ist und möglicherweise auch dort noch ein paar Häuser überschwemmt hätte. Das gefällt.
Eine Stunde später ist klar, wo es hingeht: Püchau. Dort soll die örtliche Dorfstraße unter Wasser stehen und wir sollen pumpen. Die Meldung hinterlässt bei mir ein großes Fragezeichen, denn Püchau konnte ich auf meiner gestrigen Laufrunde sehen - ungefähr 30m höher als die Mulde. Wie soll denn da die Straße unter Wasser stehen

Aber gut, Einsatzort klar, wir sollen aber noch warten, bis dort alles sortiert ist. Ok, dann kurz zur LogV und schauen, was es zum Mittag gibt. Was wohl...

Nudeln, Tomatensoße und Fleischwurst drin.

Dazu kommt, dass die Nudeln komplett zerkocht sind, die Soße anscheinend auf das doppelte Maß gestreckt, so dass der Fraß schlicht ungenießbar ist. Der Hammer: sie bekommen exakt das gleiche Essen in gleicher Konsistenz abends nochmal hin, wie der Rest der Gruppe erzählt...
Dann ein Shuttle organisiert, Sachen geschnappt, Kaffee abgefüllt (vorher noch schnell in den Supermarkt um die Ecke und ein bischen Nervennahrung mitgenommen) und los geht's.
Hatte ich weiter oben vergessen: die Übersicht über die Einsatzregion.
1: Bereitstellungsraum Sporthalle Machern
2: erster Einsatz am Wasserwerk Canitz
3: zweiter Einsatz in Bennewitz. Wir standen an der oberen rechten Ecke der "3", die besagte Neubausiedlung liegt hinter der Bahnlinie wo das "S-Symbol" der S-Bahn zu sehen ist.
4: dritter Einsatz in Püchau

Der Rest ist schon da, als wir ankommen. Treffpunkt ist die örtliche freiwillige Feuerwehr, die uns erklärt, zur Einsatzstelle käme man nur mit dem Boot.

Und unser Material? Würde mit dem Unimog hingebracht, der ist watfähiger als unsere LKWs. Das kann ja heiter werden. Und außerdem: wir sind immer noch 30m ÜBER der Mulde. Ich kapier's immer noch nicht. Die Erklärung folgt dann aber recht schnell:
Hier geht es in Püchau bergab:

Hier ist man im unteren Dorfteil (Wasser? Wo?):

Und am Ende der Straße steht die Elise...:

Ok, so macht das natürlich Sinn... Und wo kommt jetzt hier bitte das Wasser her? Die Mulde ist doch mehrere Hundert Meter entfernt. Hier hilft der Blick auf die Karte (das Wasser steht in der Auenstraße):

Diese kommt auf dem Bild von rechts aus Richtung der Mulde und geht dann in den Ort rein. An dieser Stelle des Dorfes steht das Wasser bis zu rund 1,5m hoch (Unterkante der Fenster):

Das ist der Blick zurück zu der Stelle von der das letzte Foto gemacht wurde. Wer genau hinschaut, sieht die Wasserkante unterhalb der Fenster am grünen Haus. Bis dort stand das Wasser und floß dann selbständig bis ungefähr auf diesen Pegel ab.
Und die Erklärung, wo das viele Nass herkommt:

Bei Dögnitz war der Deich gebrochen und somit lief die hier blau eingezeichnete Fläche komplett voll. Der kleine Schlafdeich vor dem Dorf rettete dann auch nix mehr. Da die Kanalisation der Straße aber durch ein Wehr in diesem Deich entwässert, war da auch nix mehr mit Rückfluß. Als wir anfingen, stand das Wasser nicht mehr höher als der Deich und so konnten wir aus dem Schacht über eine Brücke quasi in den großen blauen Bereich pumpen. Da war dann aber auch klar: das dauert länger als in Bennewitz.
Blick auf die Einsatzstelle:

Das Schlauch-Wirrwarr gehört noch zur Freiwilligen, die Pumpen von denen waren aber schon abgeschaltet, die Fördermenge ist einfach zu gering (dafür der Druck halt deutlich höher aber das nutzt hier nix), Elise saugt mit zwei Schläuchen aus dem Schacht und fördert mit einem am LKW vorbei in die Botanik.

Das ist der Blick aus der LKW-Kabine, am nächsten Morgen war hier fast kein Wasser mehr zu sehen, da der Pegel der Mulde wieder deutlich gesunken war.
Besuch hatten wir auch:

Die Dame klaute uns Teile unserer Verpflegung und verlangte nach viel Zuwendung.
Es wurde langsam Abend und mein Copilot meinte zu Recht, wir sollten noch was essen, bevor die Nachtschicht beginnt. Also Spaziergang zur FFW, denn dort sollten wir was bekommen. Dem war auch so. Es gab.... Kartoffelpüree, Mischgemüse, braune Soße und ROSTBRATWÜRSTCHEN. Sauerkraut war nicht mehr, dafür Gurkensalat. Je nun - der Hunger treibt's rein. Als jedoch die rührige Kantinenfrau für die Nacht noch Lunch-Pakete machen will "Ich hab aber nur noch Bockwurst aber die schön in Butter gebraten!" ist es dann vorbei. Schnell Kaffee aufgefüllt und nix wie weg. So nett das gemeint ist...
Unten angekommen macht sich der Rest per Hand-Fähre auf den Weg in die Unterkunft:

Wir richten uns auf dem LKW ein, der diesmal wegen der fehlenden Rückbank etwas unbequemer ausfällt und ich stelle den Wecker für diese Nacht auf jeweils 1,5 Stunden. Trockenlaufen wird hier nix, und falls der Motor zickt, geht er halt aus. So geht die Nacht rum, wir schlafen relativ viel, Elise ist fleißig und die Katze schleicht ums Auto.
Gegen 5:00 sieht es dann so aus:

Es herrscht absolute Ruhe (bis auf das Motorenbrummen, dass aber dank dicker Dämmung sehr erträglich ist), eigentlich wirklich ein Idyll - hätten da nicht grade ein Dutzend Menschen Ihre Häuser (nach 2002 zum zweiten Mal) verloren...
Die Ablösung lässt sich diesmal Zeit und ist erst um 8:30 da, was aber auch kein Problem ist. Wir übergeben die Einsatzstelle und lassen uns in den Bereitstellungsraum shutteln. Dort geht es ohne Frühstück in die Koje, allerdings sind wir dank der ruhigen Nacht nicht wirklich kaputt.