Linus hat geschrieben:
Anja hat geschrieben:
DragAttack hat geschrieben:
wenn auch unsere Langzeitarbeitslosen eine (außerberufliche) Perspektive habe - anstatt gefrustet saufend am Bahnhof rumzuhängen...
Gerade bei Dir wundert mich so eine überspitzte Aussage.
Ich habe hier beruflich mit sehr vielen Arbeitslosen jeglichen Alters zu tun. Saufend am Bahnhof herumhängen nein - aber verzweifelt sein, weil das Geld zum Leben fehlt, weil Sport, Hobby und Familie eben keine Erfüllung bringt - davon hab ich viele.
Anja
Aber das mit der Erfüllung ist doch reine Kopfsache, genau darum geht es doch, Arbeitslosigkeit nicht als Makel zu sehen sondern auch als Chance zur Neuorientierung.
Dabei rede ich jetzt nicht von Deinen Arbeitslosen alleine, da müsste schon ein gesamtgesellschaftliches Umdenken erfolgen.
Ja, das Umdenken ist nötig. Ich habe jedoch auch das Gefühl es passiert. Gerade bei den Jüngeren ist es kein Makel mehr, sondern - leider - häufig selbstverständlich. Im schlimmsten Fall so selbstverständlich, daß es schon wieder die Bemühungen um einen Job hemmt, da ja eh alle Kumpels auch arbeitslos sind.
Bei älteren stelle ich jedoch vor allem die großen finanziellen Probleme fest.
Wer sich mal eine Existenz mit Häuschen, Kindern, Haustieren und Hobbies zugelegt hat, der kommt mit Arbeitslosengeld I schwer und mit AL II gar nicht aus.
Studenten, die im Laufe des Studiums mit einem geringen Finanzbudget gelernt haben zu leben, kommen damit oft leichter klar, als Familien, die jahrzehntelang einigermaßen gut versorgt gelebt haben.
Muß dann ein Haus verkauft und in eine kleine Wohnung - am Ende in einer anderen Stadt - umgezogen werden, kommt dazu noch Krankheit (Psychische Erkrankungen sind bei Arbeitslosen sehr häufig), dann bricht das soziale Umfeld weg, es setzt sich ein Kreislauf in Gang der auch mit ehrenamtlicher Beschäftigung nicht aufgefangen werden kann, weil davon ja immer noch kein Geld ins Haus kommt und gerade bei Männern im mittleren Lebensalter auch im Umfeld "aber ich arbeite ehrenamtlich" keinen Ersatz darstellt.
Änderungen von Einstellungen sind ja nie leicht - wenn diese schon seit Jahrzehnten bestehen und auch gesamtgesellschaftlich so gestützt werden, ist dies nahezu unmöglich.
Und was soll man einem Arbeitslosen sagen, der doch nix lieber möchte als wieder arbeiten? Du findest eh nix mehr, wir schreiben jetzt gar keine Bewerbung, sondern suchen Dir gleich ne Beschäftigung, wo Du für andere umsonst arbeitest (denn das ist ehrenamtliches Arbeiten).
Für alle, die jetzt grad an die Decke gehen wegen meiner Aussage zur Ehrenamtlichkeit: Ja, in vielen Bereiche ginge ohne Ehrenamtliche nichts. Weil kein Geld da ist. Würden jetzt Arbeitslose in caritativen Einrichtungen ehrenamtlich arbeiten, würden sich diese Einrichtungen riesig freuen. Krankenhäuser, Altenheime, Schulen - alle würden lieber heute als morgen kompetente Leute nehmen, die nichts kosten. Damit werden dort jedoch nicht die Kosten gesenkt, sondern reguläre Arbeitsplätze eingespart.
Würdet ihr bei Euren Firmen ehrenamtlich die gleiche Arbeit machen wie jetzt bezahlt, so hätten Eure Firmen da wohl nichts dagegen. Künftig würden dann nur überhaupt keine Mitarbeiter mehr Geld bekommen, da es ja genügend Leute gibt, die es vielleicht auch umsonst machen.
Und das kann es ja auch nicht sein.
Anja