Enge Grenzen für die Online-Überwachung schreibt das BKA-Gesetz fest. Beim Thema Wohnraumüberwachung sieht das etwas anders aus. Bild: dpa
Politik 19.04.2008
Novelle auf den zweiten Blick
Fallstricke des BKA-Gesetzes sind den Sozialdemokraten erst recht spät aufgefallen
Die Fallstricke der Novelle des Bundeskriminalamtsgesetzes (BKAG) fielen den Sozialdemokraten erst beim zweiten Hinschauen auf. Zunächst wurde die Einigung zwischen Innenminister Wolfgang Schäuble (CDU) und Justizministerin Brigitte Zypries (SPD) zum BKA-Gesetz von führenden Sozialdemokraten noch als Sieg gefeiert. Dabei galt die ganze Aufmerksamkeit den Online-Durchsuchungen. Dafür hatte das Bundesverfassungsgericht im Februar hohe Hürden errichtet. Beim Aufspielen von Spähprogrammen auf Computer dürfen die Ermittler nun nicht in die Wohnung eindringen. Die sogenannten Trojaner müssen via Internet installiert werden.
Ernüchterung trat ein, als klarer wurde, dass die Novelle wesentlich erweiterte Befugnisse für die Sicherheitsbehörden bei der Wohnraumüberwachung enthielt. Wohnungen von Verdächtigen dürfen künftig nicht mehr nur per Wanze, sondern auch per Minikamera ausgespäht werden. Und auch unbescholtene Bürger müssen mit einer solchen Überwachung rechnen, wenn in ihrer Wohnung Verdächtige verkehren. Der SPD-Innenpolitiker Sebastian Edathy, und nicht nur der, meldete erheblichen Beratungsbedarf bei der BKA-Novelle an.
"Das Anfertigen von Foto- und Film-Aufnahmen ist ohne das Wissen der Betroffenen sozusagen Big Brother hoch zwei."Schäuble-Sprecher Stefan Paris verteidigte den Entwurf. An die präventiven Maßnahmen der Sicherheitsbeamten würden "sehr, sehr hohe Voraussetzungen" angelegt. Ein "flächendeckendes" Ausspionieren des Bürgers in diesem Land gebe es nicht. Die Möglichkeit der Video-Überwachung von Wohnräumen komme nicht überraschend. Sie bestehe bereits in einer Vielzahl von Landespolizeigesetzen, sagte er und zählte die Liste der unions- und SPD-geführten Länder auf: Rheinland-Pfalz, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein, Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen, Hessen, Hamburg, Brandenburg und Bayern.
Die im brandenburgischen Bad Saarow tagenden Länderinnenminister schienen - bis auf die eine oder andere Ausnahme - kaum Probleme mit den Gesetzesplänen zu haben. Man werde den Bund bei der Umsetzung unterstützen, hieß es insbesondere von Unions-Seite. Schäuble erhielt auch Rückendeckung für seine europäische Initiative zur Aufnahme verfolgter irakischer Christen. Die IMK-Frühjahrstagung einigte sich zudem auf die Fortsetzung der Auslandseinsätze deutscher Polizisten.
Eine Arbeitsgruppe soll sich um die Eindämmung von Jugendgewalt kümmern. Und grundsätzlich sei man sich auch einig, dass die NPD eine verfassungsfeindliche Partei sei, einen neuen Anlauf für ein Verbot werde es aber nicht geben. Ein Problem ist aber bei weitem noch nicht gelöst, hieß es bei der IMK. Bund und Länder müssten grundsätzlich klären, unter welchen Bedingungen privater Wohnraum zur Überwachung Verdächtiger betreten werden dürfe.
Die erfolgreiche Fahndung nach den mutmaßlichen Terroristen im Sauerland sei nur möglich gewesen, weil zum Betreten der Wohnräume, und dazu zählt auch die Garage, eine rechtliche Hilfskonstruktion gewählt wurde. Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) zeigte nun Unverständnis, dass Wanzen und Videokameras direkt in Privaträumen installiert werden dürfen, Trojaner aber nicht. Zypries´ Sprecherin Eva Schmierer erläuterte, der Privatcomputer stehe unter dem besonderen Schutz des jüngsten Verfassungsgerichts-Urteils. Wanzen und Videokameras würden bei der Wohnraumüberwachung nach Artikel 13 Grundgesetz geregelt.
Etwas defensiver argumentierte sie auf die Frage, ob ihre Ministerin das Problem der Video-Überwachung denn nicht erkannt habe. Was polizeifachlich nötig sei, sagte sie, sei Sache des Innenministers. Die Justizministerin gleiche diese Vorgaben lediglich mit den Grundrechten ab. Natürlich kann die Polizei im Kampf gegen aufgerüstete Terroristen nicht auf neue Techniken verzichten, genau so wenig wie die Finanz-oder Gesundheitsbehörden
sich schon lange nicht mehr auf Karteikarten stützen können. Darin sind sich Sicherheitsexperten einig.
Für manche stellt sich auch die Frage, ob die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts manchmal nicht gar zu theoretisch sind. Letztlich müsse sich das hohe Gut des Rechtsstaates in der Praxis beweisen. Die zentrale Frage lautet: Erkennt der Sicherheitsbeamte die Grenzen seines Tuns hin zum geschützten Privat- und Intimbereich des Bürgers - und hält er sie auch ein? R. Bahlburg/R. Mayr, Berlin (dpa)