Hamburch und weiter...Ich bin wieder von der Dienstreise, die in den letzten Tagen und Wochen vorbereitet werden musste, zurück.
Die Ferien sind vorbei, MC ist wieder bei seiner Mutter, und ich frage mich etwas wehmütig, ob er vielleicht das letzte Mal in den Sommerferien wochenlang bei mir gewesen ist. Er hat neuerdings eine Freundin und schon angekündigt, dass er dieses Jahr nach Weihnachten wieder nach Hause will, um mit ihr und seinen Kumpels Sylvester zu feiern. Sonst war er immer bei mir...
Es bleiben zwei renovierte Zimmer, in denen ich noch aufräumen und sauber machen muss, ein paar geile Erinnerungen und ein neues Ziel. Ich brauch wohl immer eins...
Ich hatte mich vor etwas mehr als einem Jahr für Frankfurt angemeldet. Einfach nur weil ich fünf(!) mal hinterheinander einen Start in Roth (Staffel und auch Einzel) aus den verschiedensten Gründen wieder absagen musste und ich dann doch abergläubisch wurde, einfach mal etwas anders machen musste. Aber - die Frankfurter Sympathisanten mögen es mir verzeihen - der IFM hat für mich einen Klang wie Castropp-Rauxel oder Winsen an der Luhe. Als die Gerüchte dann wahr wurden, dass es einen Ironman in Hamburg geben würde, habe ich mich SOFORT umgemeldet. Meine Familie stammt aus der Gegend, ich habe mal ein Jahr dort gelebt, und Hamburch ist einfach die geilste Stadt in unserem Land.
Ich war sehr motiviert, und auch fasziniert dass es mir nach den oben angedeuteten Rückschlägen,bei denen häufig eine Verletzung dahinter stand, und den immer wieder eingestreuten zwei- bis dreiwöchigen Zwangspausen, die so eine kleine Familie mit sich bringt, doch gelungen ist, auf Umfänge zu kommen. Das erste Mal seit Jahren bin ich wieder 20er gelaufen oder 150er gefahren. Sollte ich tatsächlich schon so viele "Lebenskilometer" auf dem Buckel haben, dass da doch ein anständiges Ergebnis möglich sein würde?
Die Antwort - NEIN! -die ich als Staffelradler in Roth bekommen habe, war ernüchternd.
Und ich habe deswegen tatsächlich ernsthaft darüber nachgedacht, nicht in Hamburg anzutreten. Einige liebe Menschen und tolle Sportlerinnen haben mir aber gut zugeredet und ich bin zu dem Entschluss gekommen, es doch zu versuchen. Ich habe es in den letzten Jahren lernen müssen, dass auch der Weg bis an die Startlinie ein sehr weiter ist, und das auch dieses "erste Finish" bei weitem nicht selbstverständlich ist. Und das wird in meinem Alter auch nicht besser.
Also bin ich doch nach Hamburg gefahren. Wohl wissend, dass es nur um ein Finish gehen würde und dass ich höchst wahrscheinlich einen Wandertag erleben würde.
Die Anreise war sehr unkompliziert: Am Samstag Vormittag mit dem Niedersachsenticket (3 Erwachsene + 1 Baby + 1 Rad für 33EUR ;-) von Braunschweig-Gliesmarode (10 Gehminuten von meiner Wohnung entfernt) und einmal Umsteigen in Uelzen in drei Stunden zum Hamburger Hauptbahnhof. Von dort waren es dann zehn Gehminuten zur Wechselzone und zu dem sehr komfortablen Hotel in unmittelbarer Nähe. Das habe ich wegen der spartanischen Anreise gerne springen lassen. Da wir die kleine Luise dabei hatten, war das Hotel direkt neben der Wechselzone aber auch kein reiner Luxus.
Am Bahnhof hat uns Ines abgeholt und mir dann auch sehr lieb das nun doch immer zittriger werden Händchen gehalten, bis dann das Rad glücklich eingecheckt war. Ich danke Dir!
In der Wechselzone ein bekanntes Gesicht: "Triaking" war Helfer. Und wie alle Helfer, denen ich an diesem Wochenende noch begegnen sollte, wirklich sehr freundlich und hilfreich! (Da ich am Freitag noch arbeiten musste, hatte ich die Wettkampfbesprechung verpasst und musste dann doch zwei- dreimal unauffällig nachfragen, wo's denn nun lang geht;-)
"Schatzi", "Lulu" und "MC" haben sich in der Zwischenzeit im Hotel von den Strpazen der Reise erholt. Abends ging es dann noch zum Schnell-Italiener bei dem ich dann noch eine zweite Portion Tortellini verdrückt habe, weil ich die Pasta-Party am Freitag Abend natürlich auch verpasst hatte.
Fünf Uhr.
Kaffee.
Noch einen Kaffee.
Zwei Croissants.
Noch einen Kaffee.
Der frühe Vogel kann mich mal.
Die anderen liegen noch im Bett.
Scheisssport.
Sechs Uhr.
Ich muss los.
Das Fahrrad ist auch noch da, Luft ist auch noch drauf.
Und nun?
Ich muss mal.
Groß...
Ewig lange Schlange.
6 Uhr 30.
Dann schnell ins Hotel zurück!
Der Kari lässt mich nicht aus der Wechselzone.
"Aber wenn ich da lang gehe, mache ich einen Umweg von 500m!..."
Nichts zu machen.
Scheiße.
Ich muss jetzt eh zum Schwimmstart!
Auch oder gerade als gelernter Schwimmer kann man sich mit dem Schwimmen schon den Tag versauen. Also habe ich meinen Stolz geschluckt, mich bei 1:05 angestellt, und mich dann mehr oder weniger in Richtung Ziel trieben lassen. Ab und zu habe ich mal eine Schwimmbewegung gemacht, die dann auch meist dazu geführt hat, dass ich auf meinen Vordermann aufgeschwommen bin. Leider hat man den auch erst aus 15 bis 20 cm Entfernung gesehen. Meinen Hinterleuten ging es aber ähnlich.
Normalerweise hasse ich es, beim Schwimmen plötzlich aufzustehen. Da ist mir schon einige Male etwas schwummerig geworden. Aber mit einem 80er Puls ist das auf einmal kein Problem mehr.
Leider war von meiner Truppe niemand zu sehen. die waren wohl noch beim Frühstück. Schade. Plötzlich und unerwartet, war die Rampe, mit der es wieder ins Wasser ging, zu Ende. Wie Daffy Duck rauschte ich mit einem dümmlichen Gesichtsausdruck senkrecht nach unten. Mit zwei schnellen Schwimmbewegen kam ich wieder hoch, knallte mit jemandem zusammen, der das Ende der Rampe erwartet hatte und gerade professionell ins Wasser gesprungen war. Der war gar nicht begeistert und sagte mir das dann auch.
ABER: Ich hatte die Brille noch auf und es war kein Wasser darin! Wäre das nicht auch eine Starttechnik für Arne?
Irgendwann trieb ich dann an Land.
ENDLICH ein Dixie!...
Aber von Schatzi, Lulu und MC keine Spur.
Liegen die etwa noch im Bett?!
Das Radfahren habe ich dann sehr locker angehen lassen. Ich fand die Strecke deutlich schwieriger als erwartet, konnte aber auch nicht so richtig feststellen warum. Der Ausblick von der Köhlbrandbrücke war grandios, da 'rauf zu fahren allerdings Pippifax. Naja, man muss natürlich ehrlicherweise sagen, dass es nicht der Berg oder Hügel ist, der einen killt, sondern die Geschwindigkeit, mit der man da hochfährt. An der Stelle, an der es aus Hamburg raus ging, gab es noch eine sehr lange Steigung, die mir in der ersten Runde gar nicht so richtig aufgefallen ist, weil sie noch in der Stadt war. Ich hatte sogar schon etwas Muffe, weil sich die (Ich saß doch erst seit 30km auf dem Rad!) so zäh angefühlt hat. Irgendwann habe ich es aber doch geschnallt, das kleine Kettenblatt genommen und dann ging es auch.
Am Ende der ersten Radrunde war richtig was los, eine Million Leute, Riesenstimmung, wirklich toll! Und das beste war, dass ich mich noch richtig frisch fühlte. Es kam Optimismus auf.
Nur von meinen Leuten keine Spur. Wie ich später erfahren habe, lagen die Damen und Herren zu der Zeit nach einem ausgiebigen Frühstück und einer kurzen Stippvisite beim Schwimmen, wo es für sie nichts zu sehen gab ("Die sahen alle gleich aus") wieder im nahegelegenen Hotelbett. Wenn ich DAS in dem Moment gewusst hätte...
An einem der vielen klitzekleinen Hügel im Hamburger Umland (vielleicht waren es die ja, die die Radstrecke schwieriger als gedacht gemacht haben?) wurde ich in der zweiten Runde von einer Zuschauerin auf einem E(kel)-Bike überholt. Das war einer der härtesten Momente an diesem Tag. Aber ich wollte unbedingt bis ins Ziel und hielt mich zurück.
Am Ende der Radstrecke habe ich dann zum ersten mal "meine Leute" gesehen. Das hat mir wir sehr geholfen. Ich fühlte mich auch noch gut. Trotzdem kam nun die Stunde der Wahrheit: Laufen! ? ...
Am Ausgang der Wechselzone stand meine Schwester, sie war tatsächlich gekommen.
Es lief!
Wahnsinnig viele Menschen!
Anfeuerung und Partystimmung! Erinnerungen an viele Trainingsrunden, die ich hier in einem anderen Leben mal gedreht hatte.
Die erste Runde war geschafft.
Los, die nächste!
Aus.
Auah, tut das weh.
Also gehen, Cola trinken, Chips essen, da kommt bestimmt noch was.
Ich traf Ines, wir hielten ein Schwätzchen.
Das hat mir sehr geholfen und ich habe hier versprochen, in's Ziel zu kommen. Merkwürdigerweise hatte ich daran nicht den geringsten Zweifel, obwohl es mir wirklich nicht gut ging. Das war für mich ein reine Rechenaufgabe, wann ich ankommen würde. Ab der zweiten Runde waren auch nicht mehr viele unterwegs, die noch liefen. Und die waren auch nicht mehr wirklich schneller als ich. Wenn nur nicht die Beine so weh tun würden.
Kurz vor Ende der zweiten Runde standen meine Schwester, meine Liebste und meine beiden Kinder an der Strecke. Es war sehr schön, sich endlich mal mit ihnen zu unterhalten. Nur aus Show bin ich dann noch mal los gelaufen. Das ging aber auch nur einen knappen Kilometer gut.
Am Ende der dritten Runde musste meine Schwester nach Hause und das Baby musste endlich ins Bett. Da habe ich dann doch ein wenig gejammert, dass ich nicht alleine ins Ziel will, und dass ich mich alleine im Dunkeln fürchte.
Am Ende der vierten Runde überholte mich jemand, der noch lief. Den feuerte ich an, wünschte ihm einen schönen Zieleinlauf. Er meinte dann, dass er noch eine Runde vor sich hätte, und dass um 21:30 Uhr Cutoff wäre.
Panik! Wann musste ich eigentlich da sein?! Zielschluss ist um 23:00, klar. Aber da war doch noch irgend etwas mit der Gesamtzeit?! Und ich hatte keine Ahnung, wie lange ich eigentlich schon unterwegs war. Denn ich wollte es gar nicht so genau wissen, wie lahm ich heute sein würde und hatte keine Uhr um. Sollte das ganze schmerzhafte Gelatsche etwa umsonst gewesen sein. Ein Wunder geschah, ich trabte los. So schlimm war das doch gar nicht und es waren ja auch bloß noch knapp zwei Kilometer bis zum Ziel.
Ich sortierte meine Gedanken: Der Typ hatte wahrscheinlich den Cutoff für die letzte Laufrunde gemeint! Und auch wenn ich meine Startzeit nicht so genau wusste, war ich jetzt gute 14 Stunden unterwegs, also:
Don't Panic!Nun nutzte ich die durch Panikattacke freigewordene Restenergie bis in's Ziel. Wahnsinnig viel Leute, Party, Abklatschen, mein Schatz und meine beiden Kinder standen etwa 15m vor dem Ziel, Umarmung und Küsschen...
geschafft!Ich habe ein paar Wochen darüber nachgedacht, wie es nun weiter gehen soll. Dabei habe ich auch ernsthaft überlegt, das mit den "Ironmans" ganz zu lassen. Denn es war sehr geil, dass ich mich in Hamburg noch irgendwie in's Ziel geschleppt habe. Aber das soll für mich nicht zur Regel werden, Triathlon besteht schließlich aus den Sportarten Schwimmen, Radfahren und
Laufen.
Nun besitze ich mein absolutes Traumrad (nochmal danke drullse!) und habe einen Startplatz für Roth. Dieses eine Mal will ich es mal richtig machen auch wenn mir das eigentlich nicht liegt: Also mit Plan, Pulsmesser, Wattwerten, das ganze Programm. Beim Material habe ich mich schließlich auch noch nie geziert
Schaun 'mer mal!